Zum Hauptinhalt springen

Gastkommentar: „Nehmen uns die Maschinen die Arbeit weg?“

Foto: AMS / © Petra Spiola

In der wohl am häufigsten zitierten sogenannten Oxford-Studie von Frey/Osborn[1] unternahmen die Studienautoren den Versuch, für über 700 Berufe die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, mit der sie in den nächsten 20 Jahren durch technische Innovationen wegfallen werden. Demnach sind – untersucht wurde der US Arbeitsmarkt – 46% aller bestehenden Jobs von hoher Wahrscheinlichkeit bedroht, obsolet zu werden. Was die Studie jedoch nicht untersucht hatte, waren die im gleichen Zeitraum neu entstehenden Berufe und Tätigkeitsfelder. Ein Umstand, den die berichtenden Medien in ihren „Das Ende der Arbeit“-Artikeln jedoch kaum erwähnten.

Inwieweit wir durch technologischen Fortschritt morgen wirklich weniger Arbeit haben werden, ist unter Experten/innen umstritten. Ich persönlich glaube nicht, dass uns die Arbeit ausgehen wird. Dies aufgrund der Tatsache, dass die aktuell wieder verstärkt geführte Diskussion in Wirklichkeit eine schon sehr alte ist. Die Kombination von Webstühlen und der Dampfmaschine am Ende des 18. Jahrhunderts gilt vielfach als Beginn der Industrialisierung. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekämpften die sogenannten Maschinenstürmer die großen Veränderungen, die technologische Innovationen am Arbeitsmarkt auslösten. Statt zu Hause arbeitenden Weberinnen brauchte man plötzlich Maschinenbediener/innen. Seit damals haben eine Reihe von großen disruptiven Innovationen mit ihrer Verbreitung den Arbeitsmarkt massiv verändert (im 19. Jahrhundert: Erfindung der Dampfmaschine, die Verbreitung der Eisenbahn mit all den damit verbundenen Neuerungen wie Stahl- und Tunnelbau, die völlig veränderten Handelsbeziehungen; im 20. Jahrhundert: neben anderen bahnbrechenden Innovationen die Elektrifizierung, die Petrochemie, den Individualverkehr oder das Internet). Jede dieser Innovationen führte zu ähnlichen Diskussionen wie heute, jede dieser Innovationen zerstörte Millionen von bestehenden Jobs, schuf aber völlig neue Tätigkeitsfelder. Was aber nach jeder disruptiven Innovation eine große Herausforderung war, die oftmals kaum gelang, war die dadurch arbeitslos gewordenen Menschen auf die neu entstandenen Jobs „umzuschulen“.

Was erwarten Experten, wo könnten neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen?
Nahezu alle großen Trends am Arbeitsmarkt wie zum Beispiel die Digitalisierung, die Globalisierung oder auch die Ökologisierung führen zu steigenden Qualifikationsanforderungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten. So werden laut CEDEFOPs Skills Forecast auf europäischer Ebene steigende Beschäftigungsmöglichkeiten für Hochqualifizierte, stagnierende Beschäftigungsmöglichkeiten für mittlere Qualifikationsniveaus und sinkende für Niedrigqualifizierte erwartet.

Zu den konkreten Erwartungen für Österreich sei ein AMS report zitiert:
Für Österreich wird – dem gesamteuropäischen Trend folgend – für gut zwölf Prozent der Beschäftigungsmöglichkeiten ein geringes Qualifikationsniveau genügen. Im Gegensatz zum gesamteuropäischen Trend wird für Österreich jedoch auch im mittleren Qualifikationssegment mit einem positiven Expansionsbedarf gerechnet, und knapp 56 Prozent der Beschäftigungsmöglichkeiten sollen mittlere Qualifikationsanforderungen stellen. Der Anteil der Beschäftigungsmöglichkeiten mit hohen Qualifikationsanforderungen wird in Österreich mit knapp 32 Prozent niedriger ausfallen als im gesamteuropäischen Schnitt. Insgesamt werden rund 1,65 Millionen Jobmöglichkeiten in Österreich erwartet, davon werden knapp 1,49 Millionen auf den Ersatzbedarf entfallen. Mehr als 55.000 Arbeitsplätze mit geringen Qualifikationsanforderungen werden voraussichtlich nicht nachbesetzt, in diesem Qualifikationssegment eröffnen sich dadurch im Zeitraum 2013 bis 2025 per Saldo nur rund 205.000 Beschäftigungsmöglichkeiten, die ausschließlich auf Ersatzbedarf basieren. Im Segment der mittleren und insbesondere der hohen Qualifikationsanforderungen entstehen hingegen auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten.[2]

Beschäftigungsmöglichkeiten, nach Qualifikationsniveaus sowie Expansions- und Ersatzbedarf in Österreich, 2013–2025 (Prognose CEDEFOP)

Wir befinden uns in einem Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, die auch die Industrie (Schlagwort „Industrie 4.0“) stark verändert. Mit diesen Entwicklungen steigen die Anforderungen an Arbeitnehmer/innen in verschiedener Hinsicht. Besonders wichtig wird etwa die Fähigkeit, Informationen zu finden, zu beurteilen, auszuwählen und zu verarbeiten. Gerade im Bereich Informationsverarbeitung werden jedoch viele Tätigkeiten, bei denen es um das Durchsuchen und Aufbereiten großer Datenmengen geht, von immer leistungsfähigeren Datenverarbeitungssystemen – bis hin zu künstlicher Intelligenz – durchgeführt oder unterstützt. Entscheidungen, die auf nicht vorprogrammierten (bzw. nicht vorprogrammierbaren) Kriterien und Bewertungen sowie auf Kreativität beruhen, müssen jedoch weiterhin von Menschen getroffen werden.

Für immer mehr Tätigkeiten werden neben spezifischen Fachkenntnissen auch fachübergreifende und soziale Kompetenzen (wie z.B.: Teamfähigkeit, Konfliktlösungspotenzial, Kommunikationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Mobilität, Flexibilität, selbständiges Arbeiten etc.), ausreichende Anwendungskenntnisse verschiedener Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Fremdsprachen (jedenfalls Englisch) vorausgesetzt. Mehrmaliger Berufswechsel und Wechsel zwischen Beschäftigungs- und Weiterbildungsperioden bestimmen die Berufslaufbahnen von mehr und mehr Menschen. Das AMS unterstützt berufliche Mobilität sowohl finanziell als auch durch Information und Beratung.

 Im Sog der Digitalisierung
Nach der Mechanisierung, der Elektrifizierung und der Automatisierung wird nun die digitale Vernetzung der Industrie unter dem Begriff „Industrie 4.0“ in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien diskutiert. Kennzeichnend für Industrie 4.0 ist die Vernetzung von Menschen, Objekten und Systemen über das Internet. In diesem Gefüge der sich selbst steuernden Systeme ist die reale oder virtuelle Anwesenheit von Menschen mit entsprechender professioneller Kompetenz besonders wichtig. Dabei werden einerseits neue Arbeitsplätze geschaffen, andere fallen hingegen weg. Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik ist es jene Menschen zu unterstützen, die von Arbeitsplatzverlust betroffen oder bedroht sind. Berufliche Mobilität muss dabei künftig stärker gefördert, aber auch gefordert werden.

Fachkräftemangel in technischen Berufen
Die Prognosen der Wirtschaftsforschung und einschlägige Studien sagen eine anhaltend starke Nachfrage an entsprechend ausgebildeten Absolvent/innen technischer Ausbildungen voraus. Zu den Berufsgruppen mit relativ hoher Nachfrage gehören: Naturwissenschafter/innen, Ingenieur/innen, Absolvent/innen einer Lehre im Metallbereich bzw. im Bereich Elektrotechnik oder Elektronik, Fachkräfte mit technischen Ausbildungen im Bereich der sogenannten „Green Jobs“.

Technikerinnen werden von der Wirtschaft stark umworben, weil sie ganz spezifische Kompetenzen (Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen) mitbringen und eine Bereicherung für die Mitarbeiterteams darstellen. Daher muss es uns gelingen, mehr Mädchen und Frauen zu motivieren, einen technischen Beruf zu ergreifen bzw. eine technische Ausbildung zu absolvieren.

 Und Übermorgen?
Wir im AMS sind wahrscheinlich jene Organisation, die am meisten Forschungsarbeit zur Frage „Welche Qualifikationen braucht unser Arbeitsmarkt morgen?“ leistet. Wir können diese Frage auch recht gut und detailliert beantworten, allerdings nur für „morgen“. Welche Qualifikationen der Arbeitsmarkt „übermorgen“ also in mehr als 3-5 Jahren braucht, wissen auch wir kaum. Umso wichtiger ist es, unseren Kindern in den Schulen neben Wissen auch Lernfreude, Lernfähigkeit und kreative Neugier beizubringen. Sie werden diese Dinge „übermorgen“ mehr brauchen als je zuvor.

[1] Frey,C. B. / Osborne, M. A. (2013): The Future Of Employment: How Susceptible Are Jobs To Computerisation?

[2] Regina Haberfellner, René Sturm: Die Transformation der Arbeits- und Berufswelt, AMS report 120 /121, 2016, S.34

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Dr. Friedrich Moshammer, AMS Österreich, entstanden.