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Fehlendes Vertrauen raubt uns den Fortschritt

Wissen Sie, was das Wort des Jahres 2016 war? Es war „Post-Truth“. Zu deutsch: Postfaktisch.

Die Begründung der Oxford Dictionaries für diese Wahl: Die Begrifflichkeit und das Konzept existiere zwar schon Jahrzehnte, aber es sei schon lange her, dass Unwahrheiten und falsche Fakten so starken Einfluss auf politische Entscheidungen und Einstellungen hätten, wie das beim Brexit oder der Präsidentenwahl in den USA der Fall gewesen sei.

Das Thema Fake News wurde in den vergangenen Wochen und Monaten an vielen Stellen diskutiert. Und keine Sorge, dies wird nicht noch ein Beitrag zu diesem Thema.

Worum es mir geht, ist der Auslöser und gleichzeitig die Folge diese Debatte: eine in jüngerer Zeit nie dagewesene Vertrauenskrise. Das Sinken oder Fehlen von Vertrauen in Medien. In Politik. In Unternehmen und Wirtschaft. In NGOs. In die so genannten Eliten.

Das Edelman Trust Barometer, das seit 2012 jährlich veröffentlicht wird, zeigt einen breiten Vertrauensverlust wie nie. CEOs wurde seit Beginn der Messung noch nie so misstraut wie heute. Und Experten wird nicht mehr vertraut als jedem anderen.

Die niedrigen Vertrauenswerte sind problematisch: zuallererst deswegen, weil sie uns als Gesellschaft zerfressen. Unser Gesellschaftssystem baut auf Zusammenarbeit und Arbeitsteilung auf und auf einem Grundvertrauen, dass jeder und jede nach seinen und ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten den besten Beitrag zu dieser Gesellschaft leistet. Ist dieses Grundvertrauen in die Gesellschaft nicht mehr gegeben, zerbricht sie.

Zudem führt das fehlende Vertrauen in Wirtschaft und Politik dazu, dass die Internationalisierung und Modernisierung der Welt neu hinterfragt wird. Die wirtschaftlich schlechte Stimmung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass Menschen weltweit eine erhöhte Angst um ihre Jobs und ihre Zukunft haben. Die Menschen geben unterschiedliche Gründe für die Gefährdung der Jobs an: schlechter Ausbildungsstand und Konkurrenz aus dem Ausland (60 %), Menschen mit Migrationshintergrund, die günstiger arbeiten (58 %), die steigende Automatisierung (54 %). 53 % sagen, dass Unternehmen und Industrie zu schnell voranschreiten, 50 % hinterfragen die Globalisierung und meinen, sie führe uns in die falsche Richtung.

Der Protektionismus-Gedanke greift um sich: Fast die Hälfte denkt, dass wir keine Handelsabkommen mehr abschließen sollten, 69 % sehen die Bedürfnisse der eigenen Nation als wichtiger an als die anderer Nationen. Und 72 % sagen, die Aufgabe einer Regierung sei, Jobs und lokale Industrien zu schützen, auch wenn die Wirtschaft dadurch langsamer wächst. Die Grundstimmung in der Bevölkerung steht auf Stillstand oder Rückschritt, nicht auf Fortschritt.

„Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird“, meinte Bertold Brecht. Haben wir – damit meine ich Unternehmerinnen und Unternehmer, Politikerinnen und Politiker, Medien – zu lange auf das Vertrauen unserer Mitmenschen vertraut und es unbedacht in Anspruch genommen? Haben wir wirklich immer alle Fakten geliefert?

Ich glaube, dass wir nicht umfassend und ehrlich genug erklärt haben, was die großen Entwicklungen sind, was sie bedeuten und wie wir als Menschen, Unternehmen, Staatengemeinschaft dadurch profitieren können.

Das betrifft die Globalisierung wie die Digitalisierung. Wir stehen vor der vierten industriellen Revolution, einer großen digitalen Transformation, die eine nach der anderen Branche erfasst und verändert – nicht immer ohne Verluste. Sie zwingt uns, Geschäftsmodelle und Produkte neu zu denken, und gefährdet Unternehmen, die nicht bereit sind, sich darauf einzustellen. Sie zwingt uns, in der Zusammenarbeit mit Maschinen neue Aufgaben zu übernehmen, weil Maschinen unsere alten Aufgaben übernommen haben. Sie zwingt die, die keine Veränderung wollen oder schaffen, in die Arbeitslosigkeit. Das fördert Misstrauen gegenüber der digitalen Transformation. Und das fördert Misstrauen gegenüber den Menschen, die dafür verantwortlich zu sein scheinen.

Die gute Nachricht: Digitale Heldinnen und Helden, die vorangehen, die ihr Geschäft und ihre Arbeitsweise umkrempeln und neu denken, zeigen vor, dass die digitale Transformation stärker und erfolgreicher machen kann. Es sind die Menschen und Unternehmen, die mit Grundvertrauen und positiver Einstellung aktiver Teil dieses Wandels sind. Ich spreche hier nicht von den Facebooks und AirBnbs. Ich spreche von Jungunternehmern und dem Mittelstand. Österreichische Start-ups wie runtastic oder innovative Unternehmen wie der Reinigungsexperte hollu. Was sie gemeinsam haben: Sie sind starke und optimistische Unternehmen, die darauf vertrauen, dass im Neuen Chancen liegen und dass Veränderungen sie stärker machen.

Wenn wir wollen, dass unsere Gesellschaft erfolgreich durch den Prozess der Digitalisierung geht und unsere Wirtschaft dadurch stärker wird, ist Vertrauen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Im Kleinen, wie im Großen.

Ich persönlich – aber auch jeder andere Geschäftsführer – brauche das Vertrauen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass ich sorgsam mit meiner Verantwortung umgehe, ich mich gemeinsam mit meinem Führungs-Team um ihre Sorgen und Anliegen bemühe und unser Unternehmen sicher in eine stabile Zukunft führe, damit sie unseren Plan, Österreich mit zu digitalisieren, positiv zur Umsetzung bringen. Wir brauchen das Vertrauen von CIOs und IT Abteilungen, dass sie ihren administrativen IT-Verwaltungsballast auslagern und in die Cloud migrieren, um für die digitale Weiterentwicklung ihrer Unternehmen Kapazitäten frei zu machen. Wir brauchen das Vertrauen der Menschen in Datenschutz, damit sie digitale Services für sich nutzen und damit produktiver und effizienter arbeiten und leben. Wir brauchen das Vertrauen von Unternehmern, dass es sich lohnt, die digitale Transformation ihres Unternehmens anzupacken und ihr Geschäft neu zu denken, weil Digitalisierung ihr Business in eine digitale Zukunft führt. Wir brauchen das Vertrauen der Menschen in künstliche Intelligenz, damit sie gut und produktiv mit ihr arbeiten und so als Team von Mensch und Maschine unschlagbar werden und Positives für die Welt bewirken – in Wirtschaft, Gesundheit, Sozialem, Bildung. Letzten Endes brauchen wir – wie Bill Gates auch in Davos angesprochen hat – das Grundvertrauen, dass wir die Verbesserungen, die wir in den vergangenen 15 Jahren durch Digitalisierung erlebt haben, auch in den kommenden 15 Jahren dank Digitalisierung erleben werden. Dass es uns dann besser geht als heute. Und dass wir zum Beispiel Krebs heilen können.

Wie also Vertrauen schaffen? Am besten wir starten damit, statt bloßer Headlines und Marketingsprüche, ehrlich, transparent und offen darüber zu sprechen, welche Entwicklungen in den kommenden Jahren anstehen, was sie bedeuten und welche Lösungsmodelle es gibt, damit wir erfolgreich aus der digitalen Transformation herausgehen und alle Menschen an diesem Erfolg partizipieren können.

Lassen Sie uns mit und über die Menschen und Unternehmen sprechen, die die Digitalisierung bereits aktiv angepackt haben: Was sind ihre Learnings? Was sind Erfahrungswerte? Was gilt es zu bedenken? Was würden sie so nie wieder machen? Und wie sind sie’s angegangen?

Durch gute Kommunikation lässt sich vieles bewegen, aber um nachhaltiges Vertrauen zu schaffen, muss man mehr tun: Ich unterstütze meine Kinder, die heute in der Volksschule sind und die digitalen Helden von morgen sein werden, dabei, Fakten von Lügen zu unterscheiden, damit ich vertrauen kann, dass sie morgen positive Fakten für diese Welt schaffen. Wir bei Microsoft arbeiten gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern daran, die digitale Bildung und Ausbildung zu verbessern, bereits unsere Jugend zu digitalen Helden zu machen und mit der Medienkompetenz auszurüsten, die sie morgen brauchen, um die Welt und ihre Zusammenhänge zu verstehen. Wir haben mit der Microsoft Cloud Deutschland eine Cloud geschaffen, die jedem das Vertrauen geben soll, dass seine Daten sicher und geschützt sind und nur die Menschen Zugriff darauf haben, die darauf Zugriff haben sollen. Wir stellen jungen Unternehmerinnen und Unternehmern kostenlos Cloud Space und Software zur Verfügung, damit sie bereits in der Gründungsphase testen können, ob ihr Unternehmen für Wachstum bereit ist. Und wir investieren in Forschung und Entwicklung, die Technologien schafft, die allen Menschen dienen.

Ich bin überzeugt, dass wir in Österreich und Europa alles haben, um den digitalen Wandel erfolgreich zu meistern. Aber wir müssen uns selbst und einander vertrauen und gemeinsam voranschreiten. Dann werden wir stark aus der digitalen Transformation herausgehen. Fehlendes Vertrauen wird uns den Fortschritt rauben. Oder wie Mahatma Gandhi es ausgedrückt hat: „Misstrauen ist ein Zeichen von Schwäche“.