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Weniger Lebensmittel verschwenden – von der Erzeugung bis zum Konsum

Während das Europäische Parlament seine Vorzeigestrategie „Farm to Fork” verabschiedet und Ereignisse wie der Welternährungstag mehr und mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken, entwickelt sich die Lebensmittelverschwendung überall zu einem immer brennenderen Thema. Im Anschluss an die internationale Klimakonferenz COP26 ist der Zusammenhang zwischen Nahrungsabfällen und Klimawandel deutlicher denn je. Die Expert*innen sind sich einig, dass das Thema Lebensmittelverschwendung Bestandteil der laufenden Diskussion über den Ausgleich von Kohlenstoffemissionen sein muss.

Laut einer Studie der Vereinten Nationen landeten schätzungsweise 931 Millionen Tonnen Lebensmittel, also 17 % der gesamten Lebensmittel, die den Verbraucher*innen zur Verfügung standen, in den Abfallbehältern von Haushalten, Einzelhandel, Restaurants und anderen Betrieben der Lebensmittelbranche.

Was für eine Verschwendung!

Ich habe lange Zeit mit Markenunternehmen und dem Einzelhandel zusammengearbeitet und mich dabei intensiv mit allen Angelegenheiten rund um Lieferketten beschäftigt, daher ist mir klar, wie es dazu kommen konnte. In dem Wunsch, den Kund*innen das ganze Jahr über eine möglichst große Auswahl zu bieten,

  • werden Lebensmittel zunehmend über längere Strecken transportiert, damit sie großflächiger und ganzjährig verfügbar sind,
  • werden Lieferketten immer länger und fragmentierter, um Schritt halten zu können
  • und Produktions- oder Lieferunternehmen erhalten keine Rückmeldungen über das Kaufverhalten der Verbraucher*innen

Marta Antonelli, Forschungsleiterin der Barilla Foundation und Mitglied der Expert*innengruppe für die „Farm to Fork”-Strategie der Europäischen Kommission, weist darauf hin, dass angesichts des Klimawandels, des Verlusts an biologischer Vielfalt und der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen Nachhaltigkeit für Lebensmittelunternehmen doppelt wichtig wird. Die Margen für Nachhaltigkeit schrumpfen rapide und bedrohen das Geschäftsergebnis von Erzeugerbetrieben, Vertriebsunternehmen und Einzelhandel in der Lebensmittelbranche – andererseits ist Nachhaltigkeit entscheidend, damit ihre Tätigkeit von der Gesellschaft anerkannt wird.

Wo beginnt man also am besten, den Teufelskreis der Lebensmittelverschwendung zu durchbrechen?

Tatsächlich gibt es niemanden, der allein für dieses Problem verantwortlich zu machen wäre – und es gibt auch nicht nur eine Lösung. Hier werden Innovationen in allen Abschnitten der Lebensmittelkette erforderlich sein. Als Verbraucher*innen können wir aktivere Entscheidungen darüber treffen, wie wir Lebensmittel einkaufen und wie wir sie verwenden, um die Verschwendung im privaten Bereich zu reduzieren. Als Fachleute im Einzelhandel können wir über Einsatzmöglichkeiten für Technologie nachdenken, um Lebensmittellieferketten nachzuverfolgen und zu verwalten – und darüber, wie wir Erkenntnisse umsetzen und für Innovationen nutzen können.

Ein gutes Beispiel ist das nordische Unternehmen für Lebensmitteltechnologie LMK Group, das Kochboxen – 2020 waren es rund 1,74 Millionen – direkt zu seinen Kund*innen nach Hause liefert. Mit Hilfe eines maßgeschneiderten Machine Learning-Modells auf Basis von Azure hat LMK in der Vorhersage des Bestellverhaltens eine wahre Meisterschaft entwickelt. Dadurch kann das Unternehmen seinen Erzeugerbetrieben und Lieferunternehmen bis zu 10 Wochen im Voraus genaue Prognosen liefern, damit sie nichts anbauen, was am Ende nicht verwendet wird. Heute fallen im Produktionsprozess von LMK weniger als 1 % Lebensmittelabfälle an, was für den Lebensmitteleinzelhandel unglaublich niedrig ist.

Ebenso wichtig wie Informationen dazu, welche Lebensmittel angebaut und erzeugt werden müssen, sind jene über den Weg dieser Lebensmittel von den Erzeuger*innen zu den Verbraucher*innen. Die Nachfrage nach ethischen und nachhaltigen Lieferketten nimmt stetig zu, daher wird auch die Fähigkeit, erfolgreiche verantwortungsvolle Beschaffungsprogramme zu entwickeln, immer wichtiger.

Der Microsoft Partner Transparency-One hat gemeinsam mit dem führenden Lebensmittel- und Getränkeunternehmen Danone dessen Programm für regenerative Landwirtschaft ausgebaut und beschleunigt. Die Plattform von Transparency-One nutzt ein kaskadierendes Modell für das Supply Chain Mapping, das Lieferunternehmen über alle Ebenen der Lieferkette hinweg miteinander verbindet. Auf diese Weise kann Danone analysieren, was die Lieferant*innen bereits unternehmen, und neue Möglichkeiten zur Einführung regenerativer Landwirtschaftsmethoden in seinen Partnerfarmen identifizieren.

Die Lagerung im Geschäft ist eine weitere potenzielle Quelle für erhebliche Abfallmengen. Eine versehentlich offen gelassene Gefrierschranktür kann beispielsweise dazu führen, dass Lebensmittel im Wert von Zehntausenden von Euro verderben! Um diese Art von kommerzieller Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, hat der dänische Hersteller Danfoss einen Überwachungsdienst entwickelt, der mit Hilfe von Sensoren sicherstellt, dass Kühl- und Gefriergeräte in Lebensmittelgeschäften die richtigen Temperaturen haben, und das Personal warnt, wenn diese sich aus irgendeinem Grund ändern.

Anderenorts überwacht der türkische Einzelhändler Migros mit Unterstützung von KI den Lagerstatus von Obst und Gemüse in seinen Regalen und erhält Warnungen bezüglich dessen Zustand. So können Lebensmittel vorrangig zum Verkauf angeboten werden, bevor sie verderben. Auf ähnliche Weise sorgt der führende deutsche Technologieanbieter für den Einzelhandel Bizerba für objektivere Entscheidungen darüber, was bestellt werden soll und was gegen überfüllte Regale zu tun ist. Bizerba kombinierte seine innovative Wiegetechnologie mit Regalsystemen für den Einzelhandel und entwickelte so Regale – und Selbstbedienungs-Backstationen –, die in der Lage sind, den eigenen Bestand zu überwachen und zu überprüfen sowie im Falle der Öfen automatisch Brezeln zu backen, wenn die Lagerbestände knapp werden. Durch den Einsatz des IOT für eine dynamische Preisgestaltung können Produkte aus vollen Regalen in Echtzeit mit günstigeren Preisen versehen werden, was sie für die Kund*innen attraktiver macht und wiederum Abfall reduziert.

Das nordische Unternehmen für Lebensmitteltechnologie LMK Group stellt seinen Lebensmittelherstellern Prognosen zur Verfügung

Microsoft hat es sich zur Aufgabe gemacht, Einzelhandel und Marken zu unterstützen, indem wir mit ihnen zusammenarbeiten, um gemeinsam innovativ zu sein und Lösungen der nächsten Generation für ihre dringlichsten geschäftlichen Angelegenheiten zu entwickeln. Mit der Microsoft Cloud für den Einzelhandel hilft Microsoft Kund*innen beim Aufbau einer robusten Lieferkette durch ein zentralisiertes System, das Bestandsdaten aus allen Kanälen in Echtzeit bereitstellt. Dies führt zu einer intelligenteren Orchestrierung der Auftragsabwicklung und verhilft Ihnen zu optimalen Lagerbeständen.

Veränderungen von der Erzeugung über den Vertrieb bis hin zum Konsum werden zweifellos durch Innovation und Zusammenarbeit im gesamten Lebensmittelökosystem entstehen. Eine wirksame Strategie zur Verringerung der Abfallmengen muss Nachfrage, Angebot, Betrieb und Verkaufsstellen mit einbeziehen. Der Aufbau einer Lieferkette, die bereits von vorneherein nachhaltig ist, ist dabei entscheidend.

Letztendlich beginnt die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung mit jeder individuellen Kaufentscheidung und dem Beitrag jeder/s Einzelnen von uns – und ist ein wichtiger Teil unserer gemeinsamen Bemühungen als Organisationen und Einzelpersonen, die Belastung des Planeten zu reduzieren.

Ein Beitrag von Nina Lund, EMEA retail and consumer goods lead