Seit einigen Wochen durchläuft die ganze Welt einen gewaltigen Lernprozess, was Telemedizin bzw. die Fernversorgung von Patienten betrifft. Was können wir von denjenigen lernen, die ihre Patienten schon seit längerer Zeit durch Fernversorgung betreuen?
Für ein Drittel der Europäer, die mit einer chronischen Krankheit leben, gehören regelmässige Arztbesuche zum Alltag. Ein besseres Management dieser und anderer Beschwerden ausserhalb von Krankenhäusern und Kliniken kann sich positiv auf die nationalen Gesundheitsbudgets, die Zeitpläne des medizinischen Fachpersonals und das allgemeine Wohlbefinden der Patienten auswirken. Es kann dazu beitragen, dass diese nicht nur länger leben, sondern auch besser leben.
Zu diesem Zweck entwickeln Kunden und Partner von Microsoft in ganz Europa Lösungen für die Fernversorgung, durch die sich Patienten bequem zu Hause behandeln lassen können und zugleich in engem Kontakt mit den Gesundheitsdienstleistern bleiben.
Vom Krankenhauszimmer ins Wohnzimmer
In Finnland leitet die Nieren-Fachärztin Dr. Virpi Rauta die Massnahmen des Universitätsklinikums Helsinki (HUS), durch die Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen ihre lebensrettende Dialysebehandlung zu Hause erhalten können, anstatt im Durchschnitt dreimal pro Woche ins Krankenhaus kommen zu müssen. Dies senkt die Kosten für ihre Gesundheitsversorgung, verbessert aber auch die Sicherheit und Lebensqualität der Patienten. Ein Drittel all ihrer Patienten wird heute zu Hause dialysiert, aber Dr. Rauta wünscht sich, dass die Zahl noch höher wird:
„Bevor chronisch nierenkranke Patienten das Stadium erreichen, wirklich eine Dialyse zu benötigen, schreitet ihre Krankheit in der Regel im Verlauf von Monaten langsam voran. In dieser Prä-Dialyse-Phase müssen wir sie über ihre spezifischen Möglichkeiten aufklären. Durch die Analyse von Patientendaten können wir die Risikofaktoren dieser Gruppe vorhersagen und sie besser über den richtigen Behandlungsverlauf beraten.“
Das Projekt Dr. Rautas zielt darauf ab, Kandidaten, die für die Heimdialyse geeignet sind, frühzeitig zu identifizieren und diese Patienten per Teleüberwachung zu versorgen. Die Daten werden dann mithilfe von Microsoft Azure-Cloud-Diensten analysiert, wodurch umsetzbare Erkenntnisse gewonnen werden, die Ärzte nutzen können, um Behandlungspläne nach Bedarf zu optimieren und anzupassen. Das Projekt ist Teil einer umfassenderen HUS-CleverHealth Network-Initiative, die das Ziel hat, durch künstliche Intelligenz (KI) unterstützte Lösungen zur frühzeitigen Erkennung von Erkrankungen, zur automatisierten Diagnostik und Behandlungsauswahl sowie für eine umfassende häusliche Pflege zu entwickeln.
Dr. Rauta erklärt, warum dies so wertvoll ist: „Je mehr Patienten sich zu Hause einer Dialyse unterziehen, desto weniger sehen wir sie im Krankenhaus. Das ist gut, aber es bedeutet zugleich, dass ich manche Patienten vielleicht nur zweimal im Jahr sehe und ich sehr wenig darüber weiss, was zwischen diesen Terminen passiert. Telemonitoring und Datenanalyse können diese Lücke schliessen und sicherstellen, dass die Behandlung auf Kurs bleibt.“
Patienten mit chronischer Nierenerkrankung sind typischerweise in ihren Fünfzigern oder Sechzigern. Doch dies ist nicht die einzige Altersgruppe, für die diese Technologie neue Erkenntnisse für das Remote Disease Management (bzw. das Telemonitoring in der medizinischen Betreuung) liefert.
Die Geburtshelferin und Gynäkologin Dr. Saila Koivusalo leitet ein weiteres CleverHealth Network-Projekt der HUS-Initiative, wobei das Ziel hier in der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten von Schwangerschaftsdiabetes besteht. Um diese Patientinnen besser zu behandeln und zu überwachen, hat das Team eine Anwendung zur Messung, Überwachung und Analyse der wichtigsten Gesundheitsindikatoren von Müttern entwickelt, z. B. der Glukosewerte, der körperlichen Aktivität, der Ernährung, Stress, Schlafverhalten und des wöchentlichen Gewichts. Diese Daten werden durch die Microsoft Azure-Cloud-Technologie gespeichert und analysiert.
Die Gesundheit werdender Mütter wird präzise nachverfolgt. So kann Dr. Koivusalo sicherstellen, dass Frauen zum richtigen Zeitpunkt die richtige Beratung erhalten: „Sehr oft fühlen sich Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes mit ihrer Erkrankung allein gelassen, weil sie zwar eine gute Beratung erhalten, diese aber meist zu spät kommt. Wenn wir noch früher Kontakt zu werdenden Müttern haben, können wir sicherstellen, dass allen der gleiche Behandlungsstandard geboten wird.“
Dr. Koivusalo warnt davor, dass Diabetes in der Schwangerschaft das Risiko von Mutter und Kind erhöhen kann, später an chronischem Diabetes zu erkranken. Eine frühzeitige Behandlung ist daher entscheidend. Das Projekt befindet sich noch in einer Pilotphase, doch Dr. Koivusalo sieht hohes Potenzial für die Unterstützung von Risikofrauen in allen Phasen der Schwangerschaft, von der ersten Planung bis hin zur postnatalen Betreuung und Nachsorge.
Beim Herzen anfangen
Die Maxime „Vorbeugen ist besser als Heilen“ wurde auch vom portugiesischen Cova da Beira Hospital Center übernommen, das eine vom Microsoft-Partner HopeCare entwickelte Cloud-basierte Health-Tracking-Lösung zur Überwachung von Patienten mit dem Risiko einer Herzinsuffizienz einsetzt.
Chronische Herzinsuffizienz betrifft 380.000 Menschen in ganz Portugal und ist die Hauptursache für Krankenhausaufenthalte bei den über 65-Jährigen. Diese hat im letzten Jahrzehnt um 33 % zugenommen. Krankenhauseinweisungen werden meist durch eine plötzliche Verschlimmerung der Symptome der Herzinsuffizienz wie Atembeschwerden, geschwollene Beine oder Müdigkeit verursacht. Solche Vorfälle, die als Dekompensationsanfälle bekannt sind, sind beängstigend, aber sie lassen sich durch eine engmaschige und regelmässige Gesundheitsüberwachung vorhersagen und manchmal sogar verhindern.
Zu diesem Zweck verfolgt Cova da Beira den Einsatz von HCAlert, einem Telemonitoring-Tool, das Patientendaten in Bezug auf Körpertemperatur, Sauerstoffgehalt im Blut (SaO2), Blutdruck, Herzfrequenz, Gewicht und Aktivität in der Microsoft Azure-Cloud sammelt, speichert und analysiert. Durch einen Triage-Algorithmus können Mediziner die wichtigsten Datenpunkte identifizieren und alle Vitalparameter kennzeichnen, die nicht mit den Behandlungsplänen für die betreffenden Patienten übereinstimmen.
Seit Einführung der Lösung konnten die klinischen Teams bei den Pilotpatientengruppen einen deutlichen Rückgang der Krankenhauseinweisungen (-62 %), der Gesamtdauer der Krankenhausaufenthalte (-48 %), der Sterblichkeitsrate (-42 %) und der Besuche in der Notfallaufnahme (-85 %) verzeichnen. Am wichtigsten ist jedoch, dass sich sowohl Ärzte als auch Patienten unterstützt fühlen.
Der 74-jährige Alberto Galvão mit implantiertem Kardioverter-Defibrillator (ICD) bekräftigte, wie „gut es ist, sich jederzeit von jemandem begleitet zu fühlen. Ich weiss, dass ich gut überwacht werde. Wenn etwas ungewöhnlich ist, ruft mich eine Krankenschwester an und meldet sich bei mir.“ Der Kardiologe Luis Oliveira beschreibt aus klinischer Perspektive, wie das Telemonitoring seine Arbeit unterstützt: „Wenn es sich um etwas Einfaches handelt, kann ich den Patienten anrufen und fragen, wie es ihm geht, und gegebenenfalls eine Anpassung der Behandlung vorschlagen. Wenn die Daten hingegen auf etwas Ernsteres hindeuten, sagen wir dem Patienten, dass er direkt ins Krankenhaus kommen soll.“
Gesundheitsversorgung menschlich halten
Lösungen für die Fernversorgung bzw. Telebetreuung spielen auch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, gefährdete Patienten vor riskanten Umgebungen zu schützen und ihre Exposition möglichst zu begrenzen. In Irland arbeitet Microsoft mit dem Universitätskrankenhaus Limerick zusammen, um Physiotherapeuten dabei zu unterstützen, Mukoviszidose-Patienten über Microsoft-Teams wichtige Gymnastikkurse anzubieten. Regelmässige, massgeschneiderte Gymnastikeinheiten sind unerlässlich, um Mukoviszidose-Patienten zu helfen, ihre Lungen von der Schleimschicht zu befreien, die sich dort infolge ihrer Krankheit aufbaut. Zugleich sind diese Patienten jedoch sehr anfällig für Infektionen, sodass es unabdingbar ist, die Zeit, die sie im Krankenhaus verbringen, so kurz wie möglich zu halten.
Online-Einzelberatungen ermöglichen es Patienten, das Beste aus ihren Trainingssitzungen herauszuholen, ohne das Risiko eines anstrengenden Krankenhausaufenthalts oder einer Infektion einzugehen. Dabei ist die Konzentration auf den Patientenkomfort, nicht nur auf die Behandlung, entscheidend. Und so bleibt die Gesundheitsfürsorge ein auf den Menschen konzentrierter Sektor: Patienten müssen in erster Linie als Menschen gesehen werden.
Digitale Hilfsmittel im Gesundheitswesen werden stetig weiterentwickelt. Dabei muss neben ihrer Rolle bei der Verbesserung der klinischen Ergebnisse auch ihr Potenzial zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten berücksichtigt werden. Jeder Patient hat ein fundamentales Recht auf gutes Leben, nicht nur auf Überleben. Microsoft wird weiterhin mit unseren Kunden und Partnern in ganz Europa zusammenarbeiten und seinen Teil dazu beizutragen, dass eine bessere Versorgung für alle Menschen Wirklichkeit wird.
Technologie wird für den Schutz und die Betreuung von Personal und Patienten immer wichtiger. Sehen Sie, wie das Gesundheitswesen neu gestaltet wird und wie Microsoft dabei helfen kann.