Lasst uns 2018 doch einfach mal „wollen statt müssen“

Manchmal ist Deutschland schon merkwürdig. Wir sind gerade erst aufgewacht und wollen uns gleich wieder ausruhen. Wir haben noch gar nicht richtig angefangen und schon macht sich Erschöpfung breit. Und damit meine ich nicht die neue Legislaturperiode, sondern die Digitalisierung.

Dabei ist das Bekenntnis zur Digitalisierung wahrlich nicht der Punkt, an dem Koalitionsvereinbarungen scheitern würden. Im Gegenteil!

Eigentlich sind sich ja alle einig: Wir brauchen mehr digitale Bildung, eine bessere digitale Infrastruktur, Fortschritte in Sachen digitaler Staat, Investitionen in den Aufbau einer Industrie 4.0 etc.pp.. Der Konsens ist an dieser Stelle fast schon überwältigend. Nur: es mangelt schlicht an Begeisterung. Die allgemeine Mattigkeit zeigt sich sogar schon in Buchtiteln. So stellt beispielsweise „Die digitale Erschöpfung“ von Markus Albers nicht etwa die neuen Freiheiten, sondern vielmehr die Zumutungen der digitalen Arbeitswelt in den Mittelpunkt – und thematisiert Burnout und Dauerstress.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Ich halte die kritische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und ihren Folgen für richtig und wichtig. Aber interessanterweise entwickeln Amerikaner selbst an dieser Stelle mehr Energie als deutsche Autoren. Entsprechende Bestseller heißen dort zum Beispiel „I hate the internet“ (das Buch von Jarett Kobek ist gerade auch auf Deutsch erschienen). Liegt es vielleicht daran, dass wir uns mehr von der Digitalisierung versprochen hatten und nun enttäuscht sind? Das suggerierte jedenfalls die Digitalkonferenz NEXT, die 2017 unter dem Motto „digital sucks“ an den Start ging. Doch das war wohl eher provokativ gemeint und sorgte letztlich für genau die lebhafte Auseinandersetzung mit der digitalen Zukunft, an der es andernorts so oft mangelt.

Eigentlich wird den Deutschen ja immer nachgesagt, sie seien technikverliebt. Und schließlich leben wir ja nicht mehr im Land der Dichter und Denker, sondern in dem der Ingenieure. Aber wenn es diese Verliebtheit überhaupt gibt, so bezieht sie sich wohl eher auf Motoren und Maschinen, als auf digitale Technologien. Die Digitalisierung wird hierzulande nicht geliebt, sondern höchstens als notwendiges Übel akzeptiert. Typisch für diese Haltung war der Auftritt eines bekannten deutschen Unternehmers, der auf einer Veranstaltung im Frühjahr 2017 öffentlich erklärte: „Ich hasse die Digitalisierung, aber ich weiß, dass ich nicht drum herumkomme“. Leider gab es keine Gelegenheit, Näheres über die Gründe für diesen „Hass“ zu erfahren. Ich kann nur mutmaßen, dass dieser Unternehmer – der übrigens viele Tausend Mitarbeiter beschäftigt – Digitalisierung als etwas von außen aufgezwungenes, nicht selbst gewähltes, irgendwie den Betriebsablauf störendes empfindet.

Diesen Eindruck habe ich jedenfalls manchmal in anderen Gesprächen gewonnen. Einmal in diesem Jahr fragte mich ein erfolgreicher Mittelständler mit leicht aggressivem Unterton: „Ich mache ja eigentlich schon alles, was man so machen soll, ich habe neue Kanäle aufgebaut, nutze Social Media und in der Cloud bin ich auch, was soll ich denn jetzt noch tun?“ Auch das ist irgendwie typisch für den deutschen Umgang mit Digitalisierung: „Man sagt mir, ich muss etwas machen, also mache ich es, aber so richtig Lust habe ich nicht und vor allem kann ich mir nicht vorstellen, wozu das Ganze gut sein soll“.

Im August 2017 erklärte der erfolgreiche Gründer und Unternehmer Ingmar Hoerr in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung „Ich kann das Wort Digitalisierung nicht mehr hören. Das ist für mich das Unwort des Jahres.“ „Schon wieder ein frühzeitig Erschöpfter“, dachte ich zunächst. Doch im Folgenden trat eine andere, wirklich inspirierende Haltung zutage. Hoerr stellte nämlich die Frage „Wo ist das Ziel des Ganzen?“ und rief dazu auf, sich wirklich große Ziele zu setzen, wie zum Beispiel, den Krebs zu besiegen, die Digitalisierung käme dann schon von ganz alleine.

Vielleicht ist das genau der richtige Ansatz? Und vielleicht ist es sogar ein typisch deutscher Denkfehler, dass wir Technik lieben sollten? Denn Technik ist ja eigentlich kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Vielleicht müssen wir deshalb auch gar nicht die Digitalisierung lieben lernen, sondern ihre Möglichkeiten. Also auch Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck verstehen. Und uns die entsprechenden Ziele setzen. Und wenn uns das am Anfang noch schwerfällt, dann könnten wir auf den ebenso simplen wie guten Psycho-Trick zurückgreifen: Immer wenn wir über Digitalisierung sprechen, sagen wir ab sofort „wollen statt müssen“ und „können statt sollen“.

Das ist jedenfalls mein Vorsatz für 2018!


Ein Beitrag von Sabine Bendiek
Vorsitzende der Geschäftsführung, Microsoft Deutschland

Sabine Bendiek - Digitalisierung für alle

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