Von der See bis in die Atmosphäre: Microsofts Aurora-KI geht weit über Wettervorhersagen hinaus

 

Die wichtigsten Neuigkeiten im Überblick:

  • Aurora ist ein KI-basiertes Foundation Model zur Umweltvorhersage, das von Microsoft Research entwickelt wurde. Es kann nicht nur Wetter, sondern auch Luftqualität, Meereswellen und extreme Ereignisse wie Hurrikane präzise und schneller als herkömmliche Modelle vorhersagen.
  • Das Modell nutzt eine riesige und vielfältige Datenbasis (über eine Million Stunden), ist flexibel feinabstimmbar und benötigt deutlich weniger Rechenressourcen im Betrieb als klassische Wettermodelle.
  • Aurora hat in konkreten Fallstudien bewiesen, dass es offizielle Prognosemodelle übertrifft, z. B. bei der Vorhersage von Taifun Doksuri und Sandstürmen im Irak – oft früher und exakter als bestehende Systeme.
  • Dank seiner Architektur und Lernstrategie liefert Aurora auch mit wenig spezifischen Daten zuverlässige Ergebnisse, etwa bei Wellenvorhersagen, obwohl dort nur wenige Trainingsdaten vorliegen.
  • Aurora steht der Forschung und Industrie offen zur Verfügung (z. B. über ECMWF und Azure AI Labs) und soll existierende Wettermodelle ergänzen – mit dem Potenzial, auch Regionen zu unterstützen, die bisher unzureichend abgedeckt sind.

Den englischsprachigen Originalbeitrag von Sally Beatty, Corporate News Writer, Microsoft können Sie hier nachlesen.

Zerstörerische Hurrikane. Riesige Ozeanwellen. Sandstürme und dichter Smog.

Extreme Wetterereignisse treten immer häufiger auf – und setzen Gemeinschaften zunehmend unter Druck, sich auf eine Vielzahl potenzieller Katastrophen vorzubereiten. Diese können nicht nur Leben kosten und Häuser zerstören, sondern auch Stromnetze lahmlegen, Ernten vernichten und wichtige Schifffahrtsrouten beeinträchtigen.

Während immer mehr leistungsstarke KI-Modelle neue Möglichkeiten bieten, Wetterentwicklungen besser vorherzusagen, beschreibt eine aktuelle Studie in Nature, wie ein sogenanntes Foundation Model namens Aurora neueste Fortschritte der KI nutzt, um nicht nur das Wetter, sondern eine Vielzahl von Umweltphänomenen präziser vorauszusagen – darunter Hurrikane, Taifune, Luftqualität und Meereswellen. Entwickelt von Microsoft Research, liefert Aurora diese Vorhersagen nicht nur schneller und genauer als herkömmliche numerische Modelle oder bisherige KI-Ansätze, sondern auch deutlich ressourcenschonender.

Ein Foundation Model ist ein groß angelegtes KI-Modell, das auf einer Vielzahl unterschiedlicher Daten trainiert wird. Aurora ist insofern besonders, als es sich nicht auf Wettervorhersagen mit KI beschränkt – das ist lediglich eines von vielen Anwendungsfeldern, in denen es Spitzenleistungen erzielt. Was Aurora auszeichnet, ist sein Ursprung als Foundation Model: Es wurde von Beginn an so konzipiert, dass es sich durch gezielte Feinabstimmung (Finetuning) über klassische Wetterprognosen hinaus anpassen lässt – etwa für die Vorhersage von Luftverschmutzung. Im Laufe der Entwicklung haben Forschende das Modell für verschiedenste Zwecke angepasst – unter anderem zur Prognose von Meereswellen und tropischen Wirbelstürmen. Damit zeigt sich Aurora nicht nur als Foundation Model für die Atmosphäre, sondern als Grundlage für das gesamte Erdsystem.

Aurora lernt zunächst, in Sekundenschnelle Wettervorhersagen zu erstellen – basierend auf allgemeinen Wetterdaten, die aus über einer Million Stunden Satelliten-, Radar- und Wetterstationsdaten, Simulationen und Prognosen stammen. Nach Einschätzung von Microsoft handelt es sich dabei um die größte je genutzte Datensammlung zur Entwicklung eines KI-gestützten Vorhersagemodells. Dank seiner flexiblen Architektur lässt sich Aurora anschließend mit vergleichsweise kleinen zusätzlichen Datensätzen gezielt verfeinern – etwa zur Vorhersage von Wellenhöhen oder Luftqualität.

Durch seine Größe und die Vielfalt der Trainingsdaten ist Aurora in der Lage, Wetter und andere Umweltereignisse besonders zuverlässig vorherzusagen. Bei mittelfristigen Wetterprognosen – also bis zu 14 Tagen im Voraus, wie sie in Wetter-Apps üblich sind – übertrifft Aurora laut Angaben der Forschenden in Nature 91 Prozent der bisherigen numerischen und KI-Modelle, wenn es auf diese Aufgabe angepasst wurde. Die Auflösung liegt dabei bei 0,25 Grad.

„Die Einbindung vieler unterschiedlicher Datenquellen führt nicht nur insgesamt zu präziseren Vorhersagen – sie verbessert auch unsere Fähigkeit, extreme Wetterereignisse vorherzusagen“, sagt Megan Stanley, leitende Wissenschaftlerin bei Microsoft Research und Mitglied des Kernteams hinter Aurora.

Um die Forschung im Bereich atmosphärischer Vorhersagen weiter voranzubringen, hat Microsoft den Quellcode und die Modellgewichte von Aurora öffentlich zugänglich gemacht. Entwicklerinnen und Entwickler können das Modell herunterladen, selbst ausführen oder darauf aufbauen, um neue Ansätze und Anwendungen zu entwickeln.

Aurora ist auch auf den Azure AI Foundry Labs vertreten – einer Plattform für aktuelle KI-Forschung und -Experimente bei Microsoft. Sie dient als zentrale Anlaufstelle für Entwicklerinnen, Entwickler und kreative Köpfe aus unterschiedlichsten Branchen, um neue Möglichkeiten zu entdecken, komplexe Herausforderungen zu lösen und Erkenntnisse zu teilen, die die Zukunft der KI mitgestalten.

Auch Microsofts MSN Weather nutzt inzwischen die fortschrittlichen Modellierungen von Aurora. Das Team hinter dem Wetterdienst hat eine spezialisierte Version des Modells entwickelt, die stündliche Vorhersagen liefern kann und zusätzliche Wetterparameter wie Niederschlag und Bewölkung berücksichtigt – für noch genauere und aktuellere Wetterberichte, mit denen Nutzerinnen und Nutzer besser vorbereitet bleiben.

Zyklone früher und präziser vorhersagen

Als Taifun Doksuri im Juli 2023 auf die Philippinen traf, richtete er schwere Schäden an – mit großflächigen Überschwemmungen und Stromausfällen.

Die offizielle Prognose des Joint Typhoon Warning Center (PGTW) ging davon aus, dass der Taifun über Taiwan hinwegziehen würde. Aurora hingegen sagte korrekt voraus, dass Doksuri auf die nördlichen Philippinen treffen würde. Die tatsächliche Zugbahn des Sturms basiert auf Daten des International Best Track Archive for Climate Stewardship (IBTrACS). Die Animation wurde von Microsoft bereitgestellt.

Wie in Nature berichtet, sagte Aurora das Eintreffen des Taifuns auf den Philippinen vier Tage vor dem eigentlichen Ereignis präzise voraus – während offizielle Stellen den Sturm fälschlich vor der Küste Nordtaiwans verorteten.

In der aktuellen Forschung schnitt Aurora zudem besser ab als das National Hurricane Center, wenn es um die Vorhersage von tropischen Wirbelstürmen über einen Zeitraum von fünf Tagen ging – ein Novum für ein Machine-Learning-Modell. Laut den Forschenden übertraf Aurora sogar alle sieben führenden internationalen Vorhersagezentren bei der Prognose von Zyklonverläufen für die gesamte Saison 2022–2023.

Die Genauigkeit von Auroras Zyklonprognosen zeigt, wie entscheidend das anfängliche Training mit umfangreichen und vielfältigen Datensätzen ist.

Luftqualität vorhersagen – bei einem Bruchteil der bisherigen Kosten

Am 13. Juni 2022 wurde der Irak von einem verheerenden Sandsturm getroffen – einer von insgesamt zehn im selben Jahr. Ausgelöst wurden diese Stürme durch eine Kombination aus extremer Trockenheit, Bodenerosion und hohen Temperaturen. Die Staubwolken legten sich über Bagdad und umliegende Regionen, führten zu tausenden Krankenhauseinweisungen wegen Atembeschwerden und zwangen den Flughafen zur Schließung.

In einer weiteren Fallstudie, die in Nature veröffentlicht wurde, sagte Aurora den Sandsturm in Irak bereits einen Tag vorher präzise voraus – und das bei einem Bruchteil der Kosten, die herkömmliche Luftqualitätsmodelle verursachen. Bemerkenswert ist: Trotz deutlich weniger verfügbarer Luftqualitätsdaten im Vergleich zu Wetterdaten, erzielte Aurora diese Leistung, weil es zunächst auf einer großen Bandbreite an allgemeinen Daten trainiert wurde und sich anschließend mit kleineren Datensätzen gezielt verfeinern ließ.

Die Vorhersage der Luftqualität ist laut den Forschenden wesentlich komplexer und ressourcenintensiver als die Wetterprognose. Denn sie erfordert die Modellierung chemischer Reaktionen sowie die Berücksichtigung verschiedener Emissionsniveaus weltweit – verursacht durch menschliche Aktivitäten.

„Aurora hat ursprünglich nichts über Atmosphärenchemie gelernt – etwa wie Stickstoffdioxid mit Sonnenlicht reagiert“, erklärt Megan Stanley. „Und trotzdem konnte es sich im Finetuning darauf einstellen – weil es vorher schon so viel über andere Prozesse gelernt hatte.“

Mehr Präzision für bessere Wellenvorhersagen

Aurora überzeugt inzwischen auch bei der Vorhersage von Meereswellen – einschließlich deren Höhe und Richtung. Durch die detaillierte Erkennung komplexer Wellenmuster eignet sich das Modell besonders gut, um den Verlauf ozeanischer Ereignisse vorherzusagen, etwa beim Taifun Nanmadol, der im September 2022 in Japan auf Land traf. Es war der heftigste Taifun des Jahres – mit massiven Erdrutschen und Überschwemmungen infolge extremer Regenfälle. Die Stromversorgung fiel großflächig aus – teils sogar bis nach Südkorea.

In einem weiteren Test konnte Aurora bei 86 Prozent aller Vergleiche über ein ganzes Testjahr hinweg die Wellenvorhersagen bestehender Modelle erreichen oder sogar übertreffen. Besonders bei durch Taifune erzeugten Wellen – wie im Fall von Nanmadol – übertraf Aurora die derzeit besten Prognosemodelle hinsichtlich der Genauigkeit der Wellenhöhen.

Bemerkenswert ist diese Leistung auch deshalb, weil Trainingsdaten für die Wellenvorhersage erst seit 2016 verfügbar sind – ein relativ kurzer Zeitraum für eine so komplexe Aufgabe. Für die Forschenden ist das ein weiterer Beleg für Auroras Fähigkeit, auch mit wenig zusätzlichem Finetuning zuverlässige Prognosen zu liefern.

Schnelligkeit und Präzision

Um große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen sinnvoll zu verarbeiten, nutzt Aurora eine flexible sogenannte Encoder-Architektur. Diese wandelt Rohdaten in ein einheitliches Format um, das das Modell für seine Vorhersagen verwenden kann.

Die Forschenden vermieden es bewusst, Aurora zu viele Vorgaben zu machen – ein weiterer Grund, warum das Modell so präzise arbeitet. „Wir schreiben nicht genau vor, wie die Variablen miteinander interagieren sollen“, erklärt Megan Stanley. „Wir geben dem Deep-Learning-Modell einfach die Möglichkeit, selbst zu lernen, was am hilfreichsten ist. Genau das ist die Stärke von Deep Learning bei solchen Simulationsaufgaben.“

Zwar ist das anfängliche Training von Aurora mit hohen Kosten verbunden – doch sobald das Modell einsatzbereit ist, sind die Betriebskosten deutlich geringer als bei klassischen Wettervorhersagesystemen, heißt es in Nature.

Mit Hilfe leistungsstarker GPU-Architekturen (Graphics Processing Units) kann Aurora Prognosen innerhalb von Sekunden erstellen – und das rund 5.000-mal schneller als herkömmliche Modelle, die dafür mehrere Stunden auf Großrechnern benötigen.

Was kommt als Nächstes für Aurora?

Die ersten Ergebnisse von Aurora haben sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie große Aufmerksamkeit erregt – unter anderem bei Wetterdiensten, Energieunternehmen und Rohstoffhändlern. Besonders gefragt ist, wie sich das Modell anpassen lässt, um Regenfälle präziser vorherzusagen, Logistikketten in der Landwirtschaft zu verbessern oder Energienetze besser zu schützen.

Aurora ist außerdem über die Website des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) – einem der weltweit meistgenutzten Wettervorhersagesysteme – für Forschende, Meteorologinnen und Meteorologen sowie andere Fachleute aus der Atmosphärenwissenschaft zugänglich.

Laut Wessel Bruinsma, Machine-Learning-Forscher bei Microsoft und Mitglied des Aurora-Teams, benötigte jedes Finetuning-Experiment lediglich ein kleines Team und etwa vier bis acht Wochen. „Im Vergleich dazu dauert die Entwicklung klassischer numerischer Wettermodelle oft mehrere Jahre“, so Bruinsma.

„Das Modell hat das Potenzial für enormen Einfluss – weil es sich sehr gezielt auf Aufgaben anpassen lässt, die für die jeweilige Region oder Branche relevant sind“, sagt Megan Stanley. „Ob es sich dabei um lokal begrenzte, hochaufgelöste Vorhersagen oder um die Modellierung von Überschwemmungen handelt – besonders in Ländern, die bisher nicht gut durch bestehende Vorhersagesysteme abgedeckt sind.“

Stanley sieht Aurora und seine Nachfolger als Ergänzung zu bestehenden Wettermodellen, nicht als Ersatz. „Es gibt noch viel spannende Forschung zu leisten – etwa ob Aurora die physikalischen Zusammenhänge richtig versteht. Wenn das der Fall ist, dann wäre es robust genug, um auch unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zuverlässige Prognosen zu liefern. Es ist das erste Modell seiner Art“, so Stanley. „Aber es wird ganz sicher nicht das letzte sein.“

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