Wer mit Bildung zu tun hat, musste in den vergangenen Monaten sehr schnell sehr viel lernen: Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern sind in der Corona-Pandemie notgedrungen zu Expert*innen für das Lernen von zuhause aus geworden. Sie alle haben mit digitalen Mitteln und virtueller Kommunikation versucht, den Präsenzunterricht mit neuen Formen des Lernens und Lehrens zumindest zeitweilig zu ersetzen. Wie können diese neuen Lernformen auch für die Zukunft übernommen werden? Im ersten Beitrag unserer neuen Blogserie „ABC der Bildung – Bildung trifft Technologie“ fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Es war eine schwierige, aber keine vertane Zeit
Prof. Dr. Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Informatik und Mitinitiator der Initiative „Offensive Digitale Schultransformation“, hat zusammengefasst, was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben: „Die Corona-Krise ist ein (…) Stresstest für das deutsche Bildungssystem. Dabei kehrt er das Beste hervor, das es zu bieten hat: engagierte Lehrkräfte und Eltern, die auch unter widrigsten Bedingungen versuchen, den Bildungsauftrag der Schulen umzusetzen.“Jetzt geht es darum, die Erfahrungen aus dieser Zeit in eine neue Normalität zu tragen und zu nachhaltigen Konzepten für digitales Lernen weiterzuentwickeln.
Alle verdienen die bestmögliche Bildung
Die verschleppte Digitalisierung des Bildungssystems in der Corona-Krise wirkt sich besonders für die Schüler*innen negativ aus, die eigentlich am dringendsten Unterstützung benötigen. Daher mahnt unter anderem auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln: „Ein nicht unerheblicher Teil der Kinder, die derzeit wegen des Coronavirus per Homeschooling unterrichtet werden, dürfte den Anschluss an den Schulstoff verloren haben.“ Die Ursachen sieht das Institut in beengten Wohnverhältnissen und fehlender elterlicher Unterstützung, aber auch in mangelnder technischer Ausstattung.
Unsere Umfrage unter Lehrkräften im Juni 2020 bestätigt diese Bewertung, bringt aber auch neue Aspekte in die Diskussion: Hier sagten zum Beispiel 55 Prozent (Mehrfachantworten waren möglich), dass die eigene digitale Kompetenz oft mangelhaft sei. 46 Prozent kritisierten den schlechten Zugang zu digitalen Lerninhalten. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Meinung vieler Eltern, die kürzlich von der Initiative D21 befragt wurden. Als Haupthindernis für erfolgreiches Homeschooling nannten sie die fehlende Unterstützung durch Schulen und Internetprobleme (Geschwindigkeit/Netzprobleme). Gleich dahinter wurden auch hier die mangelnden Digitalkompetenzen der Lehrer*innen benannt.
Fest steht: Damit das Lernen von zuhause und in der Schule funktionieren kann, müssen wir das Bildungssystem insgesamt, aber auch die technische Ausstattung von Schulen und Hochschulen verbessern. Und wir müssen dafür Lehrpläne, Beurteilungspraktiken, die Rolle von Lehrer*innen und Schüler*innen und vieles mehr überdenken.
In drei Phasen zum hybriden Lernen
Aus der Corona-Krise nehmen wir mit, dass Schüler*innen gemeinsam mit ihren Lehrkräften vor allem Möglichkeiten brauchen, um unabhängig von Ort und Zeit Wege für ein gemeinsames Lernen zu finden.
Um das zu schaffen, sprechen wir uns für ein Konzept des hybriden Lernens aus. Dahinter verbirgt sich mehr als reine Online-Lektionen und Stoffsammlungen auf OneDrive. Konsequent zu Ende gedacht ist es eine Möglichkeit, das Lernen mit Engagement, Kreativität und dem Einsatz digitaler Hilfsmittel dauerhaft zu verbessern.
In unserem Paper „Education Reimagined: The Future of Learning“ wird ein Dreiphasen-Modell beschrieben, über das Schulen nachhaltige hybride Lernformen entwickeln können. In der ersten Phase wird die bisherige Art zu lehren und lernen unterbrochen. Wir hatten diese Situation im März, als Lernende wegen Corona nicht mehr in die Schulen konnten. Es war eine Zeit der Unsicherheit, aber auch des Lernens wie es weitergeht.
Phase 2: Der aktuelle Wiedereinstieg verlangt Flexibilität und hybride Lernmethoden
In der zweiten Phase befinden wir uns gerade: Es geht nach den Sommerferien zurück in die Schulen – mit Plänen für den Wiedereinstieg, die aber jederzeit wieder neu überarbeitet werden können. Für die pädagogischen Fachkräfte in den Schulen heißt das: Sie müssen sich um die Qualität des Lernens und um die Sicherheit ihrer Schüler*innen kümmern, aber flexibel auf aktuelle Ereignisse reagieren können. Besonders diese Phase ruft nach hybriden Lehrmethoden, die unter allen Umständen funktionieren.
Phase 3: Die Neuorientierung
Diese Phase steht noch aus.Wir werden sie erst dann durchlaufen, wenn uns die akute Situation Raum für Reflexion gibt und wir unsere Erfahrungen verallgemeinern und verfestigen können. Es wird die Phase sein, in der Lehrende und andere pädagogische Fachkräfte ein agiles, innovatives und zukunftsorientiertes hybrides Lernsystem schaffen. Mit Unterstützung moderner Technologien für Vernetzung und Zusammenarbeit. Dieser Zeitraum schließt in mancherlei Beziehung an die Zeit vor Corona an, als auch schon über hybrides Lernen nachgedacht wurde. Durch die aktuellen Erfahrungen wird diese Diskussion aber deutlich zielgerichteter geführt werden können.
Bei der Diskussion helfen sechs Schlüsselfragen:
- Welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Eigenschaften brauchen Schüler*innen, um in unserer komplexen Welt erfolgreich zu sein?
- Welche Art von Lernen ist heute und in Zukunft erforderlich?
- Wie schaffen wir ein gerechtes Bildungssystem?
- Wie sorgen wir für das Wohlbefinden der Schüler*innen und Lehrer*innen?
- Was haben wir aus dem Lernen und Lehren von zuhause gelernt?
- Wie können wir moderne Technologien für das Lernen der Zukunft nutzen?
In unserer Blogreihe „ABC der Bildung“ werden wir uns ab jetzt regelmäßig mit Fragen der Post-Corona-Pädagogik beschäftigen. Wir möchten auch zeigen, welchen Beitrag moderne Technologien in der Bildung leisten können und wie zeitgemäße didaktische Prinzipien und Methoden mit digitalen Mitteln unterstützt werden können.
Was sind eure Fragen und Gedanken zum digitalen Lernen und Lehren in dieser Zeit? Welche Antworten habt ihr auf die Herausforderungen? Schreibt mir gerne dazu auf LinkedIn.
Ein Beitrag von Cornelia Schneider-Pungs,
Education Engagement Manager bei Microsoft Deutschland