Gründer, Gamer, Pionier
#WeAreAllGaming: Andreas Malessa
„Ich bin mit eSports und der Bar All-in gegangen …“
Die Welt der Spiele sprüht vor Kreativität und Vielfalt. Wie bunt die Gamingbranche tatsächlich ist, zeigt erst der Blick hinter den Controller: Wir laden Dich ein zu #WeAreAllGaming – einer Serie mit ausführlichen Porträts verschiedener Persönlichkeiten, die ihren Platz in der Gamingbranche gefunden haben. Sie modellieren sich als Spielfiguren oder verdienen als Pro-Gamer ihren Lebensunterhalt. Sie schreiben ganze Bücherreihen über Pixelwelten oder therapieren Schwerkranke mit Videospielen. Sie alle sind Teil einer Gemeinschaft – sie alle sind Köpfe von #WeAreAllGaming.
Alle starren gespannt auf Bildschirme, die Millionen Menschen weltweit in ihren Bann ziehen. Dabei hat er alles genau im Blick: eSports-Bar-Besitzer Andreas Malessa. Er bringt einem Gamer seinen Drink, der gerade konzentriert auf seiner Tastatur herumtippt und in den PC vor ihm versunken ist, während ein anderer ein paar Meter weiter schnaufend seinen Controller auf den Tisch fallen lässt, was der jubelnde Spieler neben ihm gar nicht bemerkt.
In der gemütlichen Kölner Bar an einer belebten Straßenecke direkt in Uni-Nähe tummelt sich ein bunt gemischtes Publikum mit ganz unterschiedlichen Gesichtern: Gerade vergnügen sich zwei Abiturienten zu einer Spritztour mit „Forza Horizon 3“, nebenan unterhält sich eine Studentin angeregt an der Theke, und im Raum mit den Livestreams lässt ein graumelierter Mann im Business-Hemd den Feierabend ausklingen. „So sieht ein typischer Abend unter der Woche bei uns aus“, sagt Andreas Malessa. Einige sind hier, um nur gemütlich ein paar Bier zu trinken, andere schnappen sich eine Spielkonsole und beweisen ihre Skills. Hier ist jeder willkommen.
Von LAN-Partys in ausverkaufte Fußballstadien
Das Klientel ist bunt, doch es gibt einen gemeinsamen Nenner im „Meltdown Cologne“: Alle Gäste hier eint die Freude am eSports – also am sportlichen Wettkampf zwischen Menschen mit Videospielen. Das Phänomen ist inzwischen derartig groß, dass Gamingmarken wie „Halo“ oder „FIFA“ längst nicht mehr nur als „Spiele“, sondern als autarke digitale Sportarten angesehen werden. Nicht selten verdienen professionelle Spieler ihren Lebensunterhalt mit Sponsoren- und Preisgeldern, die besten unter ihnen kassieren gar sechsstellige Summen, wenn sie lukrative Wettkämpfe wie die ESL One gewinnen.
Die internationale Fan-Gemeinde ist gigantisch. Während es 2012 noch etwa 58 Millionen waren, so ist die Zahl der weltweiten eSports-Anhänger heute schon mehr als doppelt so hoch – Tendenz steigend. Seit 2008 gibt es zudem eine internationale Vereinigung von eSports-Verbänden, die sich um die Belange des Digitalen Sports und seiner Mitglieder kümmert: Die sogenannte „International eSports Federation“ ist mit ihren 9 Gründungs-Ländern inzwischen auf ganze 43 Nationen angewachsen. Von der Professionalisierung der Szene zeugt auch das Interesse großer Sportvereine: Schalke 04, VfL Wolfsburg, Manchester City, FC Valencia, Paris Saint-Germain – etliche weltbekannte Fußballmarken sind längst in den frischen Zukunftsmarkt eSports eingestiegen und stellen eigene Profi-Teams in unterschiedlichen Spielgenres.
Vom Gamer zum Barbesitzer
Andreas Malessa nimmt diese positive Entwicklung des eSports wohlwollend zur Kenntnis. Schließlich hat er entschieden auf den wachsenden Markt gesetzt: „Ich bin mit der Bar All-in gegangen, einen echten Plan B hatte ich nicht.“ Und so widmet er sich weiterhin dem Digital-Sport, bei dem sich die Spieler gegenseitig in Wettkämpfen oder „just for fun“ messen. „eSports ist auch, wenn wir hier ein entspanntes Turnier ganz lokal in der Bar veranstalten. Dann ist die Stimmung am besten“, sagt Malessa. Es muss also nicht immer gleich der kommentierte Livestream mit zehntausenden Online-Zuschauern sein – eSports meint auch die gesellige Runde unter Freunden.
Und so hat die Gamingbranche, angefangen bei den LAN-Partys in dunklen Kellern mit Computern so laut wie Mikrowellen, eine erstaunliche Entwicklung hingelegt. Andreas Malessa, der seine Leidenschaft für eSports kurzer Hand zu seinem Beruf gemacht hat, ist mit seinem „Meltdown“ ein kleines Mosaikstückchen dieser riesigen Erfolgsgeschichte. „Eigentlich kann ich mir nichts Besseres vorstellen als hinter der Theke zu stehen und meine Gäste beim Spielen zu beobachten. Richtig gut war ich nämlich nie in einem Spiel!“
Das muss er auch gar nicht. Malessa hat begriffen, worauf es ankommt: Zusehen, mitspielen, Spaß haben, Menschen treffen – das zeichnet seine Bar und die Videospiel-Kultur seit jeher aus. Darauf erst mal einen „Level Up“, dem absoluten Lieblingsdrink der meisten Gäste hier im „Meltdown“.
Wie hat das Projekt eSports-Bar bei dir angefangen: als leidenschaftlicher Gamer mit Gastronomie-Interesse oder als passionierter Gastronom mit Gaming-Interesse?
Ich hätte nie eine Bar eröffnet, wenn es nichts mit Gaming zu tun gehabt hätte. Ich zocke schon seit Anfang der 90er und ab 2012 habe ich dann parallel zu meinem Jura-Studium Starcraft-Events organisiert. Das lief sehr gut und durch einen Bekannten aus der Meltdown-Bar Berlin wusste ich, dass das Gamer-Bar-Modell funktionieren kann. Dann habe ich den Business-Plan geschrieben, erstmal lange nach der passenden Location gesucht und das Meltdown Cologne schließlich hier in Köln eröffnet.
Neben Gaming im Allgemeinen, ist eSports das spezielle Thema deiner Bar. Wo waren hier deine ersten Berührungspunkte?
Ich bin erst recht spät zu eSports gekommen. 2012 habe ich begonnen Barcraft-Events zu organisieren – also Public Viewing für Starcraft zu dieser Zeit. Es kamen dann immer mehr Spiele dazu, wie zum Beispiel League of Legends, Dota oder Hearthstone. Auf diesem Weg hat sich auch mein Netzwerk stetig weiterentwickelt. Natürlich habe ich selbst früher auch unter Freunden gezockt – in Internet-Cafés oder die ganze Nacht auf Lan-Partys. Richtige Berührungspunkte mit eSports hatte ich aber tatsächlich erst über die Barcraft-Events.
Das Meltdown Cologne wurde unter anderem über Crowdfunding finanziert. Wie genau sah dabei der Ablauf aus?
Wir haben einen Monat lang Crowdfunding unter dem Titel „Kölns erste eSports- und Gaming-Bar“ betrieben. Insgesamt sind durch Crowdfunding 22.000 Euro zusammengekommen, was natürlich einen tollen Erfolg dargestellt und letztlich einen entscheidenden Teil der Finanzierung gebildet haben.
Und der andere Teil der Finanzierung?
Der erfolgte über einen Kredit. Von den Banken bekamen wir anfangs nur Absagen à la „Wir glauben nicht an Ihr Konzept. Danke. Tschüss“. Doch nachdem wir den nachweisbaren Erfolg mit dem Crowdfunding hatten, kam ein Glück auch plötzlich die Kredit-Zusage einer Bank.
Was meinst du, warum gerade das Crowdfunding-Modell in dieser Community so gut lief?
Crowdfunding ist ja unter anderem mit Gaming groß geworden. Früher wurden schon zahlreiche Millionen-Projekte in der Gaming-Branche über Crowdfunding finanziert. Dank meines Netzwerks hatten auch wir damit großen Erfolg. Einige der Unterstützer kommen heute noch regelmäßig in die Bar – der erste Drink geht dann natürlich aufs Haus.
Gab es einen Plan B, falls die eSports-Bar-Idee nicht geklappt hätte?
Ich bin mit der Bar tatsächlich All-In gegangen. Eine Option wären zwar noch direkte Investoren gewesen, dies hätte dann aber dazu geführt, dass mir die Bar nur teilweise gehören würde. Diese Möglichkeit habe ich aus dem Grund nicht in Betracht gezogen. Wenn mein Vorhaben mit der eSports-Bar gar nicht funktioniert hätte, wäre Jura wohl die nächst wahrscheinliche Option gewesen. Das erste Staatsexamen habe ich nämlich schon. Aber eigentlich möchte ich mir darüber keine Gedanken machen, denn ich bin sehr froh darüber, dass es mit dem „Meltdown Cologne“ nach meinen Vorstellungen funktioniert hat.
Wie sieht dein Tagesablauf als Geschäftsführer der Bar aus? Kommst du selbst auch noch zum Spielen?
Mein Tag wird durch eine Mischung aus administrativer und gastronomischer Arbeit bestimmt – ich stehe dabei auch selbst hinter der Theke. Wir schließen in der Regel nachts um 1 Uhr, weshalb ich gut ausgelastet bin. Da bleibt leider kaum Zeit selbst zu spielen.
Deine Bar bringt Gamer zusammen. Inwiefern existiert eigentlich das Klischee des einsamen Gamers zu Hause deiner Meinung nach noch?
Das gibt es bestimmt immer noch, aber nur sehr vereinzelt. Grundsätzlich ist dieses Klischee allerdings Quatsch. Gaming ist schon längst im Mainstream angekommen und verbindet die unterschiedlichsten Menschen jeglicher Herkunft, Gesinnung und Kultur. Dabei kann von Einsamkeit kaum die Rede sein.
In welcher Hinsicht bemerkst du das auch an deinem Bar-Publikum?
Das sehe ich auf jeden Fall vor allem sehr deutlich daran, dass unser Publikum sehr bunt gemischt ist. In die Bar kommt eine Vielzahl von unterschiedlichsten Leuten – egal wie alt oder wie stylisch diese sind. Wirklich jeder ist hier willkommen.
Gaming-Bars sind noch nicht in ganz Deutschland verbreitet. Gibt es hier vielleicht Pläne, dieses Projekt zu erweitern und womöglich noch mehr Bars zu eröffnen?
Erstmal möchte ich mich natürlich auf diese Bar konzentrieren. Allgemein würde ich mir aber in der Tat mehr Bars dieser Art wünschen. Selbstverständlich bedeutet ein solches Vorhaben immer viel Arbeit, aber wer genügend Erfahrung in den Bereichen Gastronomie, Gaming oder vielleicht sogar beides mitbringt, der könnte durchaus selbst probieren, eine eSports-Bar zu eröffnen. Es ist die Arbeit in jedem Fall wert.