Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) wird oft mit der Mobilitätsbranche, dem Gesundheitswesen, dem Arten- und Umweltschutz oder der Fertigungsindustrie in Verbindung gebracht. KI leistet aber auch einen wertvollen Beitrag zum Erhalt unseres kulturellen Erbes. Drei Beispiele veranschaulichen, dass KI und Kunst hervorragend zusammenpassen.
Kunst und Kultur prägen neben der Sprache die Geschichte jedes Landes. Sie ermöglichen uns in die Vergangenheit zu blicken, zeigen Momentaufnahmen der Gegenwart und visionäre Ausblicke in die Zukunft. Künstliche Intelligenz kann unseren Blick in alle Richtungen schärfen.
Mont-Saint-Michel: KI erweckt ein Kloster zu neuem Leben
Die berühmte Insel Mont-Saint-Michel liegt gerade einmal einen Kilometer von der französischen Küste entfernt. Neben den rund 30 Bewohner*innen beherbergt die normannische Felseninsel auch die bereits im 11. Jahrhundert erbaute Benediktiner-Abtei Mont-Saint-Michel. Seit 1979 zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Obwohl jedes Jahr rund 3,5 Millionen Menschen die kleine Insel und die Abtei besuchen, schaffen es nicht alle in die Normandie – besonders in diesen Zeiten.
Das Pariser Musee des Plans-Reliefs umfasst 100 detaillierte Reliefkarten, darunter auch die Insel und das dazugehörige Kloster. Gemeinsam mit dem auf 3D-Scans spezialisierten Partner Iconem hat Microsoft die Felseninsel für das Museum zum Leben erweckt. Dafür wurden hunderttausende Drohnen- und Bodenaufnahmen verwendet, die mit künstlicher Intelligenz analysiert und verarbeitet wurden.
So entstand ein vollständig fotorealistisches Modell von Mont-Saint-Michel. Mit der Microsoft HoloLens erhalten Besucher*innen die Möglichkeit, noch tiefer in die Geschichte dieses faszinierenden Bauwerks einzutauchen. Sie können das Kloster aus Perspektiven betrachten, die vom Boden aus schlicht nicht vorstellbar wären.
Die komplette Geschichte und weitere Infos sind hier zu lesen.
Tate Gallery of Modern Art und die Frage: Versteht künstliche Intelligenz Kunst?
Es heißt, Kunst sei eine universelle Sprache, die jeder Mensch versteht – auf seine subjektive Art und unabhängig von Bildung, Herkunft oder Vorgeschichte. „Über Kunst lässt sich nicht streiten“, wird deshalb oft gesagt.
Aber vielleicht lohnt sich die Diskussion über die Frage, ob auch künstliche Intelligenz ein Kunstverständnis haben kann? Das jedenfalls versucht Microsoft zusammen mit der Tate Britain in London im Rahmen eines gemeinsamen Projekts herauszufinden.
Zusammen hat das Team auf Basis unterschiedlicher KI-Technologien einen Algorithmus namens Recognition entwickelt. Er untersucht Kunstwerke der Tate-Sammlung und erkennt, ähnlich wie ein Mensch, Merkmale in den Bildern: Geschlechter, Farben, Formen oder Emotionen zum Beispiel. Dafür gleicht der Algorithmus das Kunstwerk mit einer Vielzahl von aktuellen Nachrichtenbildern ab und sucht nach wiederkehrenden Mustern. Im Idealfall entdeckt die KI in den vielen tausend Werken der Sammlung Dinge, die menschlichen Blicken zuvor verborgen blieben. Mit Recognition ermöglichen Microsoft und Tate Britain also eine völlig neue Perspektive auf Kunst – und auf Technologie.
Die ganze Geschichte kann in diesem Beitrag nachgelesen und in diesem kurzen Video angeschaut werden.
The Metropolitan Museum of Art: KI katalogisiert ein komplettes Museum
Das New Yorker Metropolitan Museum of Art, kurz „The Met“, gilt als das größte Kunstmuseum der USA. Damit die fast zwei Millionen Werke aus 5.000 Jahren Menschheitsgeschichte nicht nur den Besucher*innen vor Ort zur Verfügung stehen, hat The Met den ehrgeizigen Plan entwickelt, seine Sammlung vollständig zu digitalisieren und ins Internet zu stellen. So stünde sie Kunstinteressierten in jedem Winkel der Erde zur Verfügung.
Dieser Plan ist buchstäblich ein riesiges Unterfangen: Jedes der Kunstwerke muss professionell fotografiert, verschlagwortet und so katalogisiert werden, dass es anschließend leicht wiederzufinden ist. Menschliche Arbeitskräfte würden für diesen aufwändigen Prozess Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, brauchen.
Um ein Kunstwerk katalogisieren zu können, bedarf es nämlich eines gewissen Verständnisses: Um welche Art von Kunst handelt es sich? Wer oder was ist in dem Werk abgebildet? Was sagen die Farben und Techniken aus? Aus welcher historischen Epoche stammt das Werk?
Diese Zeit aber hat das Museum nicht und greift daher auf eine skalierbare Machine-Learning-Lösung zurück, die auf Microsoft Azure Cognitive Search basiert. Auch hier geht es wieder um die Frage, ob KI ein Kunstverständnis besitzen kann.
Für die Antwort haben Microsoft und The Met ein Proof-of-Concept (PoC) namens Art Explorer entwickelt. Er soll jedes Kunstwerk untersuchen und die gewünschten Informationen in Form von Tags generieren. Die Tags helfen Kunstexpert*innen, die Verbindungen zwischen einzelnen Kunstwerken zu verstehen – verbunden mit der Erwartung, dass solche bislang unentdeckten Querverbindungen auch ein völlig neues Verständnis für eine Kunstepoche oder einzelne Künstler*innen schaffen können.
Das digitale Bild und die bereits vorhandenen Metadaten eines Kunstwerks helfen Azure Cognitive Search zu identifizieren, welche Objekte in dem Kunstwerk dargestellt sind. Und zudem auch, welche anderen Kunstwerke dem Werk ähneln und welche geografischen Koordinaten mit diesem Kunstwerk verbunden sind. Dabei wird auch auf bereits verfügbares Wissen aus dem Internet zurückgegriffen. Das Ergebnis ist eine reichhaltige Sammlung von Metadaten, die über eine Azure-Webanwendung zur Verfügung gestellt wird. Damit hat The Met nicht nur eine der größten Kunstsammlungen der Welt, sondern zukünftig auch eine der größten frei zugänglichen Sammlungen im Internet.
Die ganze Geschichte mit weiteren Infos zu diesem Projekt kann hier nachgelesen werden.
Das sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen, welchen Stellenwert künstliche Intelligenz in der Kunst und Kultur einnehmen kann. Ein Artikel meines Kollegen Alex Thornton gibt weitere spannende Einblicke über die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von KI in der Kunstwelt. Aber auch andere Technologien können Einfluss auf die Kunst haben: Eine Projektübersicht gibt es hier.
Ein Beitrag von Pina Meisel
Communications Manager AI & Innovation