Wir werden immer älter: Während die Lebenserwartung einer deutschen Frau 1950 noch bei 68,5 Jahren lag, werden es bis 2060 88,8 Jahre sein – satte 20 Jahre mehr. Das gilt hierzulande auch für Männer – sie werden im Schnitt 84,8 Jahre alt werden. Diese Entwicklung ist eine große Errungenschaft, die vom wissenschaftlichen, medizinischen und technologischen Fortschritt der letzten Jahre und auch der kommenden zeugt. Gleichzeitig ist Altern eine Herausforderung – für uns persönlich, für die Gesellschaft und vor allem für unser Gesundheitssystem. Die gute Nachricht ist: Technologischer Fortschritt hilft uns nicht nur dabei, älter zu werden. Er hilft uns auch, möglichst lange selbstbestimmt und mobil zu leben.
Für ein langes, gesundes Leben ist das frühzeitige Erkennen von Risikofaktoren und die Entwicklung individueller Präventionsmaßnahmen elementar. Leider fehlte uns in der Vergangenheit allzu oft die Datengrundlage, um präventiv zu handeln – was blieb, war die Therapie. Digitale Technologien ermöglichen es uns nun, das individuelle Risiko für eine Erkrankung oder Verletzung so präzise wie nie zu ermitteln. Sie gewähren uns zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen: Aus einer Vielzahl verschiedener digitaler Gesundheitsmerkmale können medizinische Fachkräfte und intelligente Technologien so maßgeschneiderte Strategien entwickeln – für die Behandlung, vor allem aber für die Prävention gesundheitlicher Risiken.
Integrierte Prozesse als Basis für die Digitalisierung des Gesundheitssektors
Doch damit innovative, digitale Lösungen die Gesundheitsbranche erfolgreich transformieren können, müssen sie tief in bestehende Prozesse integriert sein. Insellösungen sorgen im Zweifel nur für Mehraufwand, den die ohnehin überlasteten Fachkräfte nicht leisten können. Aus diesem Grund haben wir bei der Entwicklung der Lindera Mobilitätsanalyse von Anfang an auf Interoperabilität gesetzt. Unsere Lösung digitalisiert die Gangbildanalyse in der Pflege, die bis dato ein rein analoger Prozess war. Damit entlasten wir die Pflegefachkräfte und verbessern gleichzeitig die Qualität der Pflege – durch die Analyse des individuellen Sturzrisikos älterer Menschen und die Empfehlung von Präventionsmaßnahmen.
Stürze sind ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren und auch für unser Gesundheitssystem. Mit fortschreitendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit zu stürzen, gleichzeitig sinkt die Chance, sich vollständig von den Folgen eines Sturzes zu erholen. Etwa ein Drittel aller Menschen über 65 stürzt einmal im Jahr. Bei den über 80-Jährigen liegt die Quote schon bei 50 Prozent. Rund 200.000 Menschen erleiden dabei pro Jahr einen Knochenbruch.
KI für die Pflege – und die gesamte Gesundheitsbranche
Genau hier setzen wir mit Lindera an: Unser Mobilitätstest nutzt künstliche Intelligenz und das geballte Wissen aus 40 Jahren Geriatrie. Durch unsere 3D-Motion-Tracking-Technologie wird es zum ersten Mal möglich, das 3D-Gangbild eines Menschen mit einem handelsüblichen Smartphone zu analysieren – an Ort und Stelle, ohne kostspielige Sensoren. So schaffen wir eine digitale Ergänzung des geschulten Auges von Ärzten und Pflegefachkräften, um das Sturzrisiko von Senioren präzise zu ermitteln und individuelle Maßnahmen zur Prävention vorzuschlagen.
Wir sind mit der Mobilitätsanalyse in der Pflege gestartet, doch natürlich bietet KI im Gesundheitssektor enormes Potential für viele weitere Anwendungsgebiete. Davon konnte ich mich auch beim Microsoft KI Festival wieder überzeugen. Allerdings – auch das wurde deutlich – gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn mehr noch als andere Technologien ist KI stark abhängig von den Daten, die ihr zugrunde liegen. Das bedeutet: Wir müssen bei allen Themen – im Gesundheitswesen noch mehr als anderswo – überzeugen, statt Bedenken vor uns her zu tragen. Dann haben wir wirklich eine Chance, die digitale Transformation in unserem Sinne aktiv und positiv zu gestalten. Die Chance, die Evolution von der Therapie zur Prävention zu schaffen – und auch in hohem Alter noch selbstbestimmt zu leben.
Ein Gastbeitrag von Diana Heinrichs, CEO von Lindera und Sprecherin auf dem Microsoft KI Festival. Das Berliner Startup entwickelt mit einer KI-basierten Mobilitätsanalyse Lösungen für die Pflege- und Gesundheitsbranche.