In unserer Reihe „Zukunft gestalten mit“ stellen wir euch interessante Persönlichkeiten vor, die an Zukunftstechnologien und -visionen arbeiten. Dieses Mal sprechen wir mit Max Senges, dem Leiter der Programmierschulen „42 Wolfsburg“ und „42 Berlin“.
Max Senges hat an der Stanford University in Palo Alto, aber auch in Barcelona, Amsterdam, Tokio, Straßburg und Berlin studiert. Er hat bei der UNO in New York und Kopenhagen gearbeitet, bei der Deutschen Handelskammer in Peking und zehn Jahre bei Google im Silicon Valley.
In seiner Diplomarbeit im Studienfach Wirtschaftsinformatik hat sich Max mit digitalen Communities bei der UNO beschäftigt und später bei Google zu Forschungspartnerschaften und „Transdisziplinären Think Tanks“ gearbeitet. „Irgendwie war meine ganze professionelle Entwicklung eine Vorbereitung auf 42“, sagt er heute, wo er als CEO und Schulleiter bei 42 Wolfsburg und künftig auch bei 42 Berlin angekommen ist.
Die Ursprünge dieser ungewöhnlichen Schulform, die ohne Professor*innen und Vorlesungen auskommt, dafür auf selbstbestimmtes „Peer-to-peer“-Lernen setzt, liegen in Frankreich. Dort hat der Unternehmer Xavier Niel 2013 die erste „École 42“ in Paris eröffnet. In Deutschland gibt es die Schule 42 in Wolfsburg, Heilbronn und künftig auch in Berlin. Unternehmen wie Volkswagen, Bayer, SAP, T-Systems – und Microsoft – unterstützen diese Bildungseinrichtungen.
Streben nach Exzellenz
Seit ihrer Gründung setzt sich die Schule 42 dafür ein, Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen die bestmögliche technische Ausbildung zu bieten. Inklusion, eine offene Kultur, die Freiheit von Studiengebühren und ein stetiges Streben nach Exzellenz gehören zu den wichtigsten Grundwerten der Schulen, an denen die nächste Generation von Programmierer*innen, Denker*innen und Innovator*innen ausgebildet wird, die in der Welt etwas bewirken will. Für das Studium benötigen die Kandidat*innen keinerlei Vorkenntnisse in Form von Coding-Skills. Auch eine abgeschlossene Schulbildung oder andere Abschlüsse sind nicht nötig, um an der 42 lernen zu können. Die einzige Voraussetzung ist die Teilnahme an einer der sogenannten Piscines, einem vierwöchigen Auswahlverfahren. Diese Verfahren finden sowohl in Wolfsburg als auch in Berlin jeweils vier bis fünf Mal pro Jahr statt. Die Termine findet man sowohl bei 42 Wolfsburg als auch bei 42 Berlin.
„Wir sind sehr froh darüber, dass wir in Wolfsburg und demnächst in Berlin sehr frei sind, Innovationen wie unser Fellowship Program, das Curriculum zu ‚Software Engineering Automotive & Mobility Ecosystems‘ oder die Bibliothek ‚Manual for Happy Software Engineers‚ aufbauen und mit der Community teilen zu können“, sagt Max Senges über die Impulse, die er und seine Kolleg*innen seit September 2020 in der ungewöhnlichen Lernumgebung erarbeiten.
Lernen ohne Lehrkräfte
„Bei uns gibt es keine Professor*innen oder Trainer*innen, keine Vorlesungen oder Schulungen“, beschreibt er das pädagogische Konzept der Schulform etwas ausführlicher.
„Bei uns sitzen die Studierenden ab dem ersten Moment an der Kommandozeile oder in ihrer Programmierumgebung und erarbeiten Lösungen für Projekte.“
Dafür brauchen sie eine große Portion Eigenverantwortung: „Sie müssen selbst herausfinden, welche Fragen sie stellen müssen, um Lösungen für ihre Herausforderungen zu erarbeiten“, sagt Max. Die Ergebnisse ihrer Arbeit besprechen die Studierenden praxisnah in Peer-Reviews, bei denen sie ihren Kommiliton*innen die eigene Lösung erklären müssen. Am Ende gibt es Feedback sowohl für diejenigen, die ihre Lösung für diese Prüfung einreichen, als auch für die, die ihre Einschätzung dazu abgeben.
Vermittlung praxisrelevanter Kompetenz
„Mit unserem Ansatz fördern wir ein Mindset, das auf gemeinsamem Lernen unter absolut gleichgestellten Menschen und auf der Vermittlung wirklich praxisrelevanter Kompetenz beruht“, so Max Senges. „Dafür verzichten wir auf die Abfrage theoretischen Wissens in akademischen Formaten.“ Und sogar vollständig auf Zertifikate und Abschlusszeugnisse.
Die Absolvent*innen der Schule 42 sind als IT-Spezialist*innen auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt, wie der Schulleiter weiß. Pro Jahr erreichen die Schulen mehr als 900 Jobangebote, und die Absolvent*innen können sich die besten aussuchen.
„Unsere Studierenden vertreten eine eigene Haltung“
Der Erfolg der Schulform hängt vermutlich auch damit zusammen, dass zukünftige Programmierer*innen dort nicht nur die technischen Fähigkeiten und Werkzeuge kennenlernen, die sie in ihrer späteren Arbeit voranbringen. „Bei uns lernen sie auch Tugenden wie unternehmerisches Denken“, erklärt Max. „Sie lernen, die Chancen und Möglichkeiten neuer Entwicklungen zu erkennen, zu planen und umzusetzen. Unsere Studierenden übernehmen vom ersten Tag an Verantwortung und vertreten eine eigene Haltung, auch wenn das mal unangenehm ist. Wir legen Wert auf Teamfähigkeit und Inklusion, sodass unsere Studierenden mit anderen über alle kulturellen Grenzen hinweg zusammenarbeiten können“, fasst der Schulleiter die Fähigkeiten zusammen, die in seinen Schulen erlernt werden.
„Diese Skills sind gerade auch im Technologiebereich essenziell für das Verständnis moderner Technologien. Unsere Studierenden müssen abwägen, wie sie mit diesen Technologien nachhaltige Werte schaffen und wie sie diese Werte auch praktisch umsetzen können.“
Das, finden wir, ist definitiv ein sehr inspirierender Ansatz für das Lernen der Zukunft.
Ein Beitrag von Pina Meisel
Communications Manager Digital Qualification & Innovation