In unserer Reihe „Zukunft gestalten mit“ stellen wir euch interessante Persönlichkeiten vor, die an Zukunftstechnologien und -visionen arbeiten. Dieses Mal sprechen wir mit der Bundesverdienstkreuzträgerin Düzen Tekkal.
Sich selbst bezeichnet Düzen Tekkal auf ihrem LinkedIn-Profil als „Menschenrechtsaktivistin, Journalistin, Kriegsberichterstatterin und Politologin“. Unter anderem engagiert sie sich gegen jede Form von Extremismus, besonders gegen Islamismus und Rechtsextremismus. So hat sie, gemeinsam mit ihrer Schwester, der früheren Profi-Fußballspielerin Tuğba Tekkal, die Initiative HÁWAR.help ins Leben gerufen.
Dort setzt sie sich für eine Welt ein, in der sich jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Ethnie, Religion oder sexueller Orientierung selbstbestimmt und in Sicherheit entfalten kann. „Wir alle können irgendetwas tun, womit wir anderen helfen“, sagt sie über ihr Engagement. „Wichtig ist, dass wir hinschauen, zuhören, Hilfe anbieten und uns mit den Menschen solidarisieren. Dabei ist es jedem von uns selbst überlassen, in welcher Form wir uns engagieren.“ Düzen tut das zum Beispiel auch als CEO & Gründerin der gemeinnützigen Bildungsinitiative GermanDream, die sich gemeinsam mit vielen, ganz unterschiedlichen Wertebotschafter*innen stark macht für ein selbstbewusstes Bekenntnis zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland.
„Das demokratische Wertesystem ist so divers wie die Menschen“
„Wenn ich mit Menschen über die Werte der Demokratie spreche, stelle ich immer wieder fest, wie vielfältig der Dialog ist – so divers wie die Lebensrealitäten der Schüler*innen“, sagt sie über die Wertedialoge, die sie gemeinsam mit den ehrenamtlichen Wertebotschafter*innen von GermanDream in den Schulen unseres Landes führt. „Deshalb folgen wir mit unseren Dialogen auch keinem festgelegten Konzept, sondern holen die jungen Menschen in ihrer Wirklichkeit ab, im Hier und Jetzt.“ Wichtig ist ihr auch, dass bei diesen Dialogen keine Themen ausgespart werden, denn nur dann können die Gespräche ein „Scharnier zwischen Zivilgesellschaft und Schule“ sein, bei denen aus den vorhandenen Bildungs- auch Lebensräume entstehen. „Ich bin sehr dankbar, dass wir von den Lehrer*innen und Schüler*innen mit offenen Armen empfangen werden.“
Aber es reicht ihr nicht, nur das Scharnier zwischen Bildung und Gesellschaft zu sein; ihre Mission ist es, den Menschen in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft die Fähigkeit zum Sehen zurückzugeben, die unter dem im übertragenen Sinn oft schwarz-weißen Blick in den sozialen Netzwerken leidet. „Ich wünsche mir dort mehr Grautöne, mehr Nuancen und mehr Bewusstsein für unsere universellen Werte wie Respekt, Menschlichkeit und Empathie.“
Damit wir die Digitalisierung erfolgreich hinkriegen, so Düzen, brauchen wir auch einen „Transformationsprozess der Humanisierung: Digitalisierung ist für mich nur ein Gefäß, in dem wir Informationen und Gefühle weiterhin austauschen können.“
Ohne Bildungsgerechtigkeit keine Humanität
Der Schlüssel für eine digitale und humane Gesellschaft ist für sie die Bildung – genauer: die Bildungsgerechtigkeit. „Unsere Wertedialoge mit den Schüler*innen zeigen uns immer wieder, wie lang gerade in Deutschland der Weg zur sozialen Gerechtigkeit noch ist“, sagt sie. „Was nützt uns eine Chancengleichheit auf dem Papier, wenn die soziale Ungerechtigkeit sie verhindert?“
Mit ihrer Arbeit setzt sie genau dort an: Mit ihrer Bildungsinitiative trägt Düzen dazu bei, dass Kinder und junge Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, ihren sozioökonomischen Verhältnissen oder ihrem gesellschaftlichen Status nicht nur das Recht, sondern vor allem auch die Möglichkeit haben, dieselben Bildungswege einzuschlagen. „Digitalisierung kann dabei eine Chance sein, aber wir dürfen sie auch nicht überbewerten“, mahnt sie. Denn hilfreich seien digitale Medien und Tools nur dann, wenn junge Menschen auch über die notwendigen Kompetenzen verfügen, sie einzusetzen.
Lehrer*innen sind eine Inspirationsquelle
Auf der Microsoft Envision Education 2021 hat Düzen in ihrem Vortrag darüber gesprochen, dass Bildung für sie einen Ort der Freiheit darstellt, in dem sie ihre Visionen und Träume entwickeln konnte. Sowohl kleine als auch große. Sie appelliert, dass wir die Verpflichtung unseren Kindern gegenüber haben, ihnen den Bildungsraum bereitzustellen, der notwendig sei, um eben diese Träume träumen und verwirklichen zu können. Und dafür sind auch die Bildenden ganz entscheidend. „Lehrer*innen sind die inspirierenden Gegenüber, die manchmal mehr an uns glauben, als man es selber tut.“ Sie weiß auch aus eigener Erfahrung, wie wichtig Lehrerinnen und Lehrer für einen persönlichen Lebensweg sind. Bis heute zählt sie ihre Grundschullehrerin zu den Persönlichkeiten, die sie inspirieren.
Im September 2021 wurde Düzen für ihre unermüdliche Arbeit und ihre Verdienste um das Gemeinwohl mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Aber die Kraft für ihre Arbeit holt sie sich weniger aus dieser offiziellen Auszeichnung als aus den Menschen, die sie umgeben. Ihre Kernfamilie als Ankerzentrum und „meine imaginäre, spirituelle Familie“, zu denen sie ihre verstorbene Großmutter ebenso zählt, wie ihre Grundschullehrerin und ihren alten Professor. Da zeigt sich, wie wichtig Bildung auch für Düzen Tekkal selbst ist, und so wird auch klarer, warum sie sich so für die Bildung aller engagiert.
Ein Beitrag von Pina Meisel
Communications Manager Digital Qualification & Innovation