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Die Patientenbetreuung der Zukunft: Wie die Stadt Wien auf Telemedizin setzt

Von Gesundheits-Apps über virtuelle Arztkonsultationen bis hin zum E-Rezept – die Digitalisierung kommt in vielen Bereichen des Gesundheitswesens in Österreich bereits zum Einsatz. Der Überbegriff Telemedizin hat sich vermehrt im heimischen Wortschatz integriert: Mit ihr können räumliche Distanzen überwunden und kostbare Zeit gespart werden. Das Potenzial von Digitalisierung im Gesundheitssystem ist groß.

Mit Fieber und Schmerzen im Bett bleiben und stattdessen den Arzt via Videochat aufsuchen oder Überweisungen an Fachärzte telefonisch erledigen – die Patientenbetreuung der Zukunft hat viele Facetten. Die Covid-19-Krise hat dieses Potenzial weltweit freigesetzt. Innerhalb kürzester Zeit wurden medizinische Kontakte in den virtuellen Raum verlagert und Meilensteine wie das E-Rezept erreicht. Denn während einer Pandemie ist die Lage besonders kritisch. Für infizierte Patient*innen ist es oftmals schwierig einzuschätzen, ob und wann der Krankenhausbesuch notwendig ist. Gleichzeitig kann sowohl eine überstürzte als auch eine verspätete Aufnahme von Patient*innen ins Krankenhaus eine große Herausforderung für das bereits stark belastete Gesundheitssystem sein. In Zeiten von Lockdowns und stark belegten Spitälern steht für ein patientenzentriertes Gesundheitssystem im Vordergrund, dass Patient*innen sich weiterhin gut betreut fühlen und wissen, dass sie nicht allein sind. Dabei stellen Hochrisikopatient*innen in Selbstisolation eine besonders bedürftige Gruppe dar. Gleichzeitig ist die Entlastung des Medizinpersonals von systemkritischer Bedeutung.

In solchen Situationen kann Telemonitoring einen erheblichen Effekt haben. Werden infizierte Hochrisikopatient*innen mit technologischen Mitteln aus der Ferne betreut und ihre Werte überwacht, so stellt sich die Frage nicht mehr, ob und wann sie einen Arzt aufsuchen sollen: Patient*innen haben die Gewissheit, dass sie kontaktiert werden, wenn ein Arztbesuch notwendig wird. Für jene in Selbstisolation bedeutet das, dass sie nicht allein sind. Für das Gesundheitssystem stellt das eine große Entlastung in kritischen Zeiten dar.

Mit dieser ambitionierten Vision vor Augen bündelten Zühlke, Wien Digital, das Future Health Lab, Microsoft und ein umfassendes, vielfältiges Partnerökosystem an Expert*innen ihre Kräfte. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurde eine Fernmonitoring-Lösung für Hochrisikopatient*innen mit einer Covid-19-Infektion auf die Beine gestellt. Dabei wurde von Anfang an groß gedacht – das gemeinsame Ziel: Eine offen skalierbare Plattform bereitzustellen, die für jede Anzahl an Patient*innen und für eine Vielzahl kardiovaskulärer Krankheitsbilder anwendbar ist.

Die lebenswerteste Stadt der Welt bei der digitalen Patientenversorgung stärken

Hohe Lebensqualität, kulturelle Vielfalt und eine solide Infrastruktur: Diese und zahlreiche andere Faktoren tragen dazu bei, dass Wien Jahr für Jahr es an die Spitze der lebenswertesten Städte der Welt schafft. Und auch im Gesundheitsbereich wird die Stadt Wien ihrem Ruf gerecht: Anfang 2022 startete Wien eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern an der Klinik Favoriten. Eine besonders wirksame Spezialtherapie für Risikopatient*innen mit einer nachgewiesenen Infektion. Diese erhielten eine Infusion in der Klinik und gingen danach in häusliche Selbstisolation. Das Pilotprojekt sollte daran anknüpfen und dabei einen Mehrwert für Patient*innen und das Gesundheitssystem schaffen: Zum einen sollte eine bessere, individuelle Versorgung Hochrisikopatient*innen den Weg ins Krankenhaus nach der Therapie möglichst ersparen. Zum anderen konnten durch die frühzeitige Erkennung negativer Krankheitsabläufe schneller Maßnahmen gesetzt werden, um die Spitäler zu entlasten. Mit dem Projekt wollte man außerdem auch die Akzeptanz von Fernmonitoring-Lösungen im Gesundheitsbereich aus Sicht der Patient*innen und des Medizinpersonals überprüfen.

Technologie und Fachwissen Hand in Hand – mit den richtigen Partnern wird das möglich

Das Pilotprojekt begann im April 2021 mit der Initiative vom Future Health Lab, welches mit seiner fachlichen Expertise das Projekt unterstützte. Die Vision war da – für den weiteren Weg brauchte es die richtigen Partner. Das Team bei Wien Digital, der Innovationskraft der Stadt Wien unter der Führung von Otto Fraunbaum, war für die technische Integration in die Umgebung der Stadt Wien verantwortlich. Als Lösung wurde das international eingesetzte HCAlert von HopeCare ausgewählt. Partner Zühlke setzte das Projekt technisch um und verantwortete das multidisziplinäre Projektmanagement. Wien Digital, t Microsoft als Technologiepartner, Urban Innovation Vienna, der Gesundheitsdienst der Stadt (MA 15) und der Arbeitersamariterbund machten das Ökosystem komplett.

Für Otto Fraunbaum, Geschäftsbereichsleiter Grundlagenentwicklung und Architektur bei Wien Digital ein Beispiel guter Praxis: „Unser Pilotprojekt zeigt, wie eine fächerübergreifende Zusammenarbeit für eine wegweisende technische Innovation erfolgreich eingesetzt werden kann. Jeder einzelne Partner hat seine Expertise in den Prozess eingebracht. Technologie und Fachwissen müssen Hand in Hand gehen, um Innovationen auf den Markt zu bringen.“

Die Partner definierten gemeinsam mit der Klinik Favoriten, angeführt von Professor Wenisch, die Parameter für die Fernüberwachung: Insbesondere die Sauerstoffsättigung und der Puls wurden als Kriterien für die Früherkennung von Risiken während einer Covid-19-Erkrankung ausgewählt. Mit dem Team von Wien Digital hat Zühlke eine Lösung auf Azure integriert, die diese zentralen Parameter erfasst. Im Jänner 2022 begann dann mit dem Start des viermonatigen Pilotprojekts ein neues Kapitel in der Geschichte der Gesundheitsversorgung der Stadt Wien.

Patientenversorgung 2.0: Mit nutzerfreundlicher Technologie zum Erfolg

Insgesamt 110 Covid-19 positiv getestete Hochrisikopatient*innen nahmen am Projekt teil. Für sie stellte Zühlke sicher, dass der Prozess besonders nutzerfreundlich und unkompliziert gestaltet war: Zum Start erhielten sie während des Aufklärungsgesprächs im Rahmen ihrer Infusionstherapie in der Klinik ein Pulsoximeter, eine Applikation auf dem Smartphone und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung im Videoformat sowie in gedruckter Form. Danach gingen sie in Selbstisolation nach Hause. Nach einer erfolgreichen Registrierung in der App erhielten die Risikopatient*innen zweimal täglich eine Erinnerung, um Messungen vorzunehmen. Diese Daten wurden dann sicher in die Lösung von HopeCare, basierend auf Microsoft Azure, übertragen und mit den vordefinierten Soll-Parametern verglichen. Wenn sich die Parameter außerhalb der Schwankungsbreite befanden, erhielten die Ärzt*innen in der Klinik eine SMS-Benachrichtigung am Diensthandy. Die Identifikation des konkreten Patienten erfolgte erst über den Einstieg in die Applikation. Im nächsten Schritt konnte der zuständige Arzt den betroffenen Risikopatienten kontaktieren, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist und bei Bedarf Maßnahmen zu setzen.

Garantierte Sicherheit für die Gesundheitsdaten der Wiener*innen

Der Gesundheitssektor arbeitet nah am Menschen, unterstützt und versorgt Patient*innen mit den unterschiedlichsten medizinischen, Diagnosen und Behandlungen. Die Sicherheit von Gesundheitsdaten ist daher entscheidend für den Schutz der Privatsphäre aller Patient*innen und stand im Rahmen des Pilotprojekts stets im Vordergrund. In der Cloud waren keine personenbezogenen Daten abgespeichert, sondern lediglich Patientennummern und Messdaten. Die personenbezogenen Daten der Patient*innen wie Name, Adresse und Telefonnummer lagen zu jeder Zeit verschlüsselt bei Wien Digital. Nur im Falle einer Benachrichtigung über die Verschlechterung des Zustandes eines konkreten Patienten konnten Ärzt*innen die personenbezogenen Daten abrufen, indem sie die Patientennummer in das Portal eingaben. Die Lösung war somit nahtlos in die vorhandene Infrastruktur der Stadt Wien integriert.

Das Projekt punktet bei Patient*innen und dem Medizinpersonal

Nach Abschluss der Therapie äußerten zahlreiche Patient*innen ihre Dankbarkeit für die gute Betreuung. Die vielen positiven Rückmeldungen zeugen von der Wirksamkeit und Qualität der Begleitung durch die Therapie.

Albert Frömel, Leiter Healthcare bei Zühlke Österreich, zum positiven Feedback: „Unser Pilotprojekt hat gezeigt, wie die digitale telemedizinische Betreuung von Patient*innen eine echte Unterstützung bei deren Genesung bieten kann. Während der Pandemie wurde die Technologie zum ersten Mal in dieser Form eingesetzt. Den Hochrisikopatient*innen Sicherheit zu vermitteln war gerade in Zeiten von Social Distancing umso wichtiger. Diese fühlten sich sogar in der Selbstisolation gut begleitet – schon deswegen ist das Projekt für uns ein Erfolg“.

Zühlke hat das Projekt mit laufendem Feedback der involvierten Expert*innen und der Befragung von Ärzt*innen und Patient*innen nach Abschluss des Piloten evaluiert. Alle Patient*innen bewerteten die Handhabung der Applikation als sehr einfach, 93% fühlten sich mit der App und dem Oximeter gesundheitlich besser versorgt. Diese Ergebnisse zeigen somit eine sehr hohe Zufriedenheit und Akzeptanz der verwendeten Technologie.

Ärzt*innen bewerteten die Integration von Fernmonitoring-Technologie in den Behandlungsprozess sowie die einfache Art, den Gesundheitszustand der Patient*innen im Blick zu behalten, als durchaus positiv. Der klare Mehrwert für Patient*innen und Ärzt*innen: Das rasche Erkennen von Anomalien und die einfache Kontaktaufnahme im Ernstfall kann den Patient*innen unnötige Wege in die Klinik ersparen und somit das Medizinpersonal erheblich entlasten.

Mit dem Blick in die digitale Zukunft von Wiens Gesundheitsversorgung

Im Großen und Ganzen haben wir die Pandemie bereits hinter uns gelassen, jedoch ist die Zukunft, die eine Fernmonitoring-Lösung wie diese möglich macht, vielversprechend. Erstens können mit der Technologie auch andere Parameter gemessen werden, wie etwa Blutzucker und Blutdruck. Auch die Behandlung weiterer kardiovaskulärer Krankheitsbilder wie Diabetes oder COPD können mit solchen Technologien gut unterstützt werden. Zudem ist die Lösung mit einer Vielzahl weiterer medizinischer Geräte, die auf dem Markt verfügbar sind, kompatibel.

Zweitens ist die Fernmonitoring-Lösung offen skalierbar und somit ein zukunftssicheres Modell. Dieser Use Case mit 100 Patient*innen hat sich bewährt, und viel mehr als das ist noch möglich. Die Lösung ist derzeit nicht im Regelbetrieb aktiv, aber bereits bei Wien Digital verfügbar. Die Zukunft der Medizinversorgung wurde von allen Beteiligten bereits von Anfang an mitgedacht.


Foto Credit: Pexels