Sprachgesteuerte Bots mit künstlicher Intelligenz (KI) können den Kundenservice deutlich aufwerten. Über den Einsatz etwa im First-Level-Support lassen sich Wartezeiten und Kosten reduzieren sowie Servicezeiten optimieren. Davon profitieren sowohl Unternehmen als auch ihre Kundinnen und Kunden.
Der Bildschirm des neuen Fernsehers bleibt schwarz, das dringend erwartete Päckchen ist unterwegs verloren gegangen, der Reifenwechsel beim Auto steht an – das sind typische Situationen, bei denen Menschen Kontakt mit einem Kundenservice aufnehmen. Häufig ist das noch immer mit langen Wartezeiten verbunden, wenn nicht ausreichend Servicekräfte oder Leitungen zur Verfügung stehen, um Anfragen schnell und unkompliziert zu bearbeiten. Dabei wächst der Ärger mit dem Wert des Produkts oder der Dienstleistung: Wer viel zahlt, erwartet – im Grunde auch völlig zurecht – einen guten Service.
Genau hier kann sich der Einsatz von Virtuellen Agenten in Form von Voice- und Chatbots lohnen, die auf Basis eines weitreichenden Sprachverständnisses und intelligenter Servicesysteme für den First-Level-Support mit den Kunden gemacht sind. Am Beispiel eines Serviceunternehmens für den halbjährlichen Reifenwechsel zeigen wir, wie auf Basis von Microsoft-Technologien in sechs Schritten ein intelligenter, sprachbasierter First-Level-Support aufgebaut werden kann, der in die Contact Center Telefonie integriert ist.
Schritt 1: Ist- und Bedarfsanalyse
Zunächst gilt es, den typischen Serviceprozess zu analysieren, der durchaus komplex sein kann und über mehrere Kanäle ausgeführt wird. So können Kundinnen und Kunden den Kontakt zum Service zum Beispiel per Telefon, E-Mail oder über Kontaktformulare im Internet aufnehmen. Müssen alle Kanäle berücksichtigt werden? Wie aus dem Microsofts State of global customer service Report hervorgeht, bevorzugen der Kundinnen und Kunden Anfragen beim Kundenservice per Telefon. Selbst wenn unser Autohändler seinen Kundinnen und Kunden alle Kanäle bieten möchte, sollte er also den Telefonservice mit besonderer Aufmerksamkeit organisieren. Der obligatorische Reifenwechsel sorgt für einen regelrechten Run auf die Hotlines. Auch diese Lastspitzen müssen bei der Ist-Analyse berücksichtigt werden. Schließlich geht es bei der Analyse um ein tiefes Verständnis für die Inhalte, die im Service abgefragt und verstanden werden müssen: Klassischerweise melden sich Kundinnen und Kunden mit dem Kennzeichen ihres Autos bei der Werkstatt an und müssen überdies mitteilen, was genau sie möchten. Das wird zu Hochzeiten wahrscheinlich ein Reifenwechsel, kann natürlich aber auch eine Anfrage für eine Reparatur oder einen Wartungsservice sein. Das muss der Kundenservice nicht nur verstehen, sondern auch unterschiedlich handhaben.
Der Bedarf wiederum ergibt sich aus den Zielvorstellungen des Unternehmens: Was genau soll der Service leisten, welche Schritte sind dafür nötig, welche Technologie braucht er dafür?
Schritt 2: Evaluation und Auswahl einer technischen Lösung
Bei der Evaluation einer neuen Lösung wird sich ein Unternehmen aller Wahrscheinlichkeit nach für eine Mischung aus technischer Lösung und menschlichen Servicekräften entscheiden. Gerade für den Erstkontakt bieten sich technische Lösungen in Form virtueller Agenten auf Basis von intelligenten Voice- und/oder ChatBots an, während komplexe Aufgaben oder individuelle Anfragen von qualifizierten, menschlichen Servicekräften erledigt werden müssen.
Virtuelle Agenten mit der Fähigkeit Sprache zu verstehen und zu verwenden, sind bereits in vielen Kundenservices im Einsatz. Sie sind auf Basis der Cognitive Services von Microsoft und nach entsprechendem Training in der Lage, gesprochene Sprache in unterschiedlichen Varianten zu verstehen und zu verarbeiten. Das ist zum Beispiel bei der Aufnahme von Kennzeichendaten wichtig. Erwähnt eine Anruferin oder ein Anrufer mit fränkischem Dialekt nun ein „d“ oder ein „t“ beim Buchstabieren? Verwendet sie oder er die offizielle Buchstabiertafel („B wie Berta“) oder das Alphabet für den internationalen Flugverkehr („B wie Bravo“)? Und gibt es einen Unterschied zwischen „zwei“ und „zwo“? Was uns Menschen selbstverständlich erscheint, muss jede Spracherkennung erkennen und lernen. Die Cognitive Services von Microsoft sind da schon von Haus aus gut aufgestellt – mit Erkennungsquoten von 75 Prozent ohne und über 90 Prozent mit speziellem Training.
Wichtig zu wissen: Die Cloudplattform Microsoft Azure erfüllt bereits im Standard alle Anforderungen an den Datenschutz und die IT-Sicherheit, die in Deutschland und mit der EU-Datenschutzgrundverordnung gestellt werden. Personenbezogene Daten sind zudem dank der eingebauten Verschlüsselung vollständig gesichert.
Schritt 3: Implementierung in das laufende System
Ein intelligentes sprachgesteuertes System muss nicht nur die genannten Probleme bei der Spracherkennung meistern, sondern dies auch in widrigen Umgebungen leisten. So ist zum Beispiel das Eingangssignal im bundesdeutschen Festnetz auf eine Bandbreite von 3,1 Kilohertz beschränkt, was sich in einer allenfalls ausreichenden Sprachqualität niederschlägt. Microsoft bietet mit den Azure Speech Services einen Service zum Erkennen gesprochener Sprache, der dank integriertem Schmalband-Moduls auch mit mitunter schwankender Qualität des Festnetzsignals zurechtkommt. Über Azure LUIS („Language Understanding Intelligent Service“) erfolgt dann die Erkennung der Absichten des Kunden (z.B. „Ich möchte einen Termin vereinbaren“) sowie für die weitere Bearbeitung relevanter Informationen (z.B. „Ich möchte einen Termin am Montag.“).Die sprachlichen Fähigkeiten der Services lassen sich nicht nur für Hochdeutsch trainieren, sondern auch für Dialekte oder auch die Aussprache von nicht-Muttersprachlern. Microsoft Azure bietet zudem die notwendige Flexibilität, um einen Virtuellen Agenten per Schnittstelle an eine bestehende Telefonanlage zu koppeln. Das macht die Implementierung eines intelligenten Kundenservices einfach und kostengünstig.
Schritt 4: Training und maschinelles Lernen
Die Herausforderung für einen Virtuellen Agenten haben wir ja schon beschrieben: Er muss dem Variantenreichtum von Anruferinnen und Anrufern ebenso gerecht werden, wie der Varianz in der sprachlichen Herleitung von Buchstaben und Ziffern, über die sich die Kundinnen und Kunden bei der Autowerkstatt identifizieren – etwa in Form einer Kundennummer oder eines Autokennzeichens. Das muss trainiert werden, denn von Haus aus kommt der Virtuelle Agent nur mit einem Teil seiner sprachlichen Fähigkeiten – dem, der sich standardisiert implementieren lässt. Aber was, wenn eine Anruferin oder ein Anrufer den Virtuellen Agenten mit individuellen Buchstabierlösungen konfrontiert „G wie Geld“ oder „R wie Regensburg“ zum Beispiel. Das muss nicht direkt klappen, aber die gute Nachricht ist: das kann ein Virtueller Agent lernen – in diesem Fall über eigene Post-Processing-Module in Kombination mit Azure LUIS.
Schritt 5: Feldtests mit virtuellen Agenten
Die Implementierung eines ausreichend trainierten und in eine bestehende Service-Umgebung eingebetteten Virtuellen Agenten ist eine Sache von rund acht Wochen. Danach geht es mit einem ersten Feldtest weiter, bei dem der Virtuelle Agent unter Echtbedingungen auf Herz und Nieren geprüft wird: Erkennt und verarbeitet er alle notwendigen Informationen für eine Statusabfrage? Verbindet der virtuelle Agent die Anruferinnen und Anrufer richtig weiter oder bietet er direkt eine passende Lösung an, zum Beispiel einen Termin für den Reifenwechsel? Liest der Bot nach Auftragsannahme den Auftrag für die Kundeninnen und Kunden noch einmal per Text-to-Speech verständlich vor? Wie reagiert der virtuelle Agent auf technische Verzögerungen: Führt er einen weiteren Dialog oder gibt er an einen menschlichen Gesprächspartner ab? Diese Weiterleitung ist immer dann notwendig, wenn der Kundenwunsch zu spezifisch ist, als dass der virtuelle Agent ihn bedienen könnte. All diese Aufgaben werden im Feldtest abgefragt, bevor das System produktiv gehen kann.
Schritt 6: KI im Einsatz
Schon 2018 hat eine Studie von Unymira angedeutet, dass Themen wie Sprachsteuerung, Chatbots und künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle im Kundenservice spielen werden. Heute zeigt sich, dass die Analysten Recht behalten haben. Der Azure Bot Service funktioniert bereits im Kundeneinsatz und belohnt diesen Einsatz aus Sicht der Kunden mit weniger Wartezeit, einer 24/7-Verfügbarkeit und – aus Sicht der Unternehmen – einer deutlichen Reduktion der Kosten. Dabei ist das System offen und lernfähig genug, um auch für andere Aufgaben eingesetzt werden zu können, die Unternehmen dabei helfen, kundenzentrierter und serviceorientierter zu werden. Und es ist flexibel genug, um im Laufe seiner Dienstzeit auch für neue Aufgaben herangezogen zu werden – zum Beispiel für das manuelle Handling von Daten beim E-Mail Management.
Ein Beitrag von Pina Meisel
Communications Manager AI & Innovation