Microsoft auf der ACHEMA 2022: Innovationen nachhaltig beschleunigen

Die Digitalisierung, da ist sich die Branche einig, hat sich endgültig einen Spitzenplatz auf der Agenda in der Chemie-, Pharma- und Prozessindustrie gesichert. Auf der ACHEMA 2022 zeigt Microsoft daher im „Digital Hub“ in Halle 11.0 am Stand C43 gemeinsam mit Partnern und Kunden, wie unter anderem die Nutzung von Daten in agilen Organisationen die Branche dauerhaft nach vorne bringen kann.

Aber die Branche hat mit Herausforderungen und Problemen zu kämpfen: Die Störungen der weltweiten Lieferketten halten an, und geopolitische Verwerfungen verschärfen die Lage. Zur Corona-Pandemie ist jetzt auch noch eine große Energiekrise mit steigenden Energiepreisen hinzugekommen, die uns in den kommenden Monaten beschäftigen wird.

Als energieintensive Branche, die anderen Industrien die Ausgangsprodukte für ihre eigene Arbeit bereitstellt, fällt der Chemie-, Pharma- und Prozessindustrie zudem eine wichtige Aufgabe zu: die Klimaziele und ESG-Kriterien (Environmental Social Governance; zu Deutsch: Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung) für mehr Nachhaltigkeit in ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragen nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn diese Branche nachhaltiger wird, werden es gleich auch andere Industrien. Dieser Herausforderung müssen sich die beteiligten Unternehmen stellen.

Digitalisierung ist der Schlüssel für die nachhaltige Zukunft der Branche

Das alles sind ambitionierte Ziele in einer angespannten, aber auch spannenden Zeit. Wir haben eine genaue Vorstellung davon, wie wir diese Herausforderungen bewältigen: Die Mittel und Werkzeuge, die uns die Digitalisierung zur Verfügung stellt, helfen uns, unsere Ziele zu definieren, messbar zu machen und in sicheren IT-Infrastrukturen und modernen Operational Technology (OT)-Lösungen umzusetzen.

Es ist und bleibt unsere Vision bei Microsoft, jede Person und jedes Unternehmen auf dem Planeten zu befähigen, mehr zu erreichen. Bezogen auf die Chemie-, Pharma- und Prozessindustrie heißt das: Wir setzen mit der Microsoft Cloud für die Fertigungsindustrie und mit unseren Lösungen für eine agile, datenbasierte, intelligente Fertigung oder High Performance Computing (HPC) das Potenzial der Branche für Innovationen frei. Und zwar in einem hochregulierten Umfeld, in dem die Sicherheit und Absicherung von Produkten und Prozessen essenziell für die gesamte Volkswirtschaft ist.

Mit Kunden und Partner auf der ACHEMA

Auf der ACHEMA 2022 werden die Besucher*innen sehen können, was die Nutzung von digitalen Technologien wie dem Internet der Dinge (IoT), Edge Computing, maschinellem Lernen sowie der Vernetzung von Daten für die Geschäftsmodelle, Prozesse sowie Produkte der Branche praktisch bedeuten. Mit ihnen können sie reaktionsschnell, resilient und nachhaltig wirtschaften.

Die auf innovative Produkte der Spezialchemie fokussierte Altana Gruppe zeigt gemeinsam mit dem Microsoft-Partner Prodyna das Projekt „EMPOWER 2021“. Hier handelt es sich um eine datenbasierte Einkaufslösung mit dem Ziel, eine für Expert*innen aus verschiedensten Fachrichtungen einheitliche und leicht zu bedienende Plattform zu gestalten, die alle bekannten Informationen und Daten in einem Datenmodell abbildet und schnell und kostengünstig um weitere Domänen erweitert werden kann.

Die IoT-Lösung PA Facts unseres Mitausstellers Process Automation Solutions ist auf standardisierte, kontextualisierte und zuverlässige Produktionsdaten spezialisiert. In Kombination mit der Expertise des Unternehmens im Bereich Operational IT bietet sich PA Facts als eine vollständige Ende-zu-Ende-Lösung zur Optimierung der Overall Equipment Effectiveness (OEE), des Energieverbrauchs und noch viel mehr an. Auf Basis von Daten bietet PA Facts maßgeschneiderte und sofort einsetzbare Anwendungen. Diese können beispielsweise für das Energie- und Leistungsmanagement genutzt und von den Unternehmenskunden ergänzt oder angepasst werden.

Wir zeigen auf der Messe auch die Lösung unseres Partners Sight Machine, die das Streaming von Anlagendaten aus unterschiedlichen Quellen über die Cloud ermöglicht. Die Plattform konsolidiert die Daten, um allen Unternehmensanwender*innen eine einzige, ständig aktualisierte Sicht auf die Produktion, speziell auf kritische Produktionsprozesse in der Chemieindustrie, zu bieten und so eine flexiblere und nachhaltigere Produktionsumgebung in chemischen Anlagen zu ermöglichen. Das sorgt nicht nur für mehr Effizienz in der Fertigung: Durch die Integration und Aufbereitung von Prozess-, Qualitäts- und Energiedaten können Chemieunternehmen auch Energieverbrauch und Emissionen optimieren und ihren CO2-Fußabdruck verkleinern.

Molecular Modelling Laboratory (MML) nutzt das High Performance Computing von Azure, um die zunehmende Komplexität der Moleküle in pharmazeutischen Wirkstoffen besser handhaben zu können. Die superschnellen Rechenkapazitäten aus der Microsoft-Cloud automatisieren durch den Einsatz von Algorithmen mit künstlicher Intelligenz (KI) bisher manuell und damit sehr langsam ausgeführte Prozesse, die bei der Suche nach neuen Kombinationen von Wirkstoffen und Polymeren helfen.

Das britische Unternehmen Eagle Genomics hat sich mit seiner Plattform e[datascientist] die Analyse komplexer Daten in der Mikrobiom-Forschung auf die Fahnen geschrieben. Durch Datenanalyse will Eagle Genomics zu neuen Erkenntnissen für die Bereiche Lebensmittel und Ernährung, Schönheit und Körperpflege, Agrikultur und Biologie sowie für das Gesundheitswesen gelangen. Allein das Mikrobiom des Menschen, also die Gesamtheit aller dort siedelnden Mikroorganismen, umfasst rund 39 Billionen Organismen. Schon mit dieser Zahl wird deutlich, um welch große Datenmengen es bei solchen Analysen geht.

Der e[datascientist] setzt auf dialogorientiertes Lernen zwischen den Daten und den Wissenschaftler*innen und schafft so völlig neuartige Möglichkeiten für einen radikalen Wandel in der Erforschung des Mikrobioms.

Einen etwas anderen Weg geht Mobilab. Das Kölner Unternehmen hat unter Zuhilfenahme von Azure Machine Learning eine Empfehlungsmaschine für chemische Formeln entwickelt, die Rezepturen auf Basis früherer Experimente vorschlägt und so den Aufwand bei Forschung und Entwicklung um mehr als 30 Prozent reduziert. Die Microsoft-KI ist nicht nur in der Lage, schnell und beliebig skalierbar zu arbeiten, sondern hilft speziell auch dabei, die für die Ableitungen benötigten Datenmengen zu reduzieren. Das beschleunigt nicht nur Entwicklungsprozesse und die Suche nach chemischen Formeln, sondern verringert ganz nebenbei auch den CO2-Fußabdruck.

Microsoft auf der ACHEMA 2022

Sie finden Microsoft, seine Kunden und Partner vom 22. bis 26. August auf der ACHEMA 2022 in Halle 11.0 am Stand C43 im Digital Hub. Weitere Informationen über den Messestand finden Sie auf der Herstellerseite der ACHEMA zu Microsoft. Hier stellen wir diese und weitere spannende Themen wie etwa die Brancheninitiative „Microsoft in Manufacturing“ vor, in deren Rahmen Microsoft-Partner wie Accenture, EY und PwC vorgefertigte Referenzimplementierungen für klassische Aufgaben in der Fertigung entwickelt haben. Diese helfen der Industrie, die Einführung moderner Technologie zu beschleunigen und die Digitalisierung voranzutreiben. Darüber hinaus wird es Fokusbereiche für Microsoft HoloLens 2 und Lieferketten-Anwendungen geben.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

 

Interview

High Performance Computing: Mehr Effizienz bei geringen Kosten

Geopolitische Verwerfungen, Rohstoffknappheit sowie steigende Energiepreise und Engpässe in den weltweiten Lieferketten stellen Industrieunternehmen vor große Herausforderungen: Sie müssen ihre Produktentwicklungs- und Fertigungsprozesse beschleunigen und noch ressourcensparender als bisher entwickeln. High Performance Computing (HPC) schafft genau dafür neue Möglichkeiten, weil es das Simulieren und Modellieren von Produkten unter realen Bedingungen erlaubt. Wir haben uns mit dem HPC- und KI-Experten Dr. Lukasz Miroslaw* von Microsoft Schweiz über den Nutzen von HPC speziell in der Prozessindustrie unterhalten.
Warum ist HPC für die Prozessindustrie ein Game-Changer?
Lukasz Miroslaw: High Performance Computing bietet der Branche überhaupt erst die Möglichkeit, ihre Entwicklungsprozesse zu digitalisieren – und zwar «ab initio», also von Anfang an. Sie können zum Beispiel über Simulationen auf molekularer Ebene nicht nur physikalische und chemische Eigenschaften, sondern auch die Reaktivität von Materialien abbilden. Das erweitert die Materialforschung um neue Möglichkeiten und bringt Mehrwerte für Entwicklungsteams und Management. Dazu gehören kürzere Entwicklungszeiten, mehr Einblicke in die chemischen Reaktionen und weniger Experimente im Labor. Insgesamt führt der Einsatz von HPC nicht nur zu schnelleren Produktzyklen, sondern auch zu einer besseren Qualität der Produkte.
Wie kann HPC für Wettbewerbsvorteile sorgen?
Lukasz Miroslaw: Vielen Firmen haben schon verstanden, wie sie in der Materialforschung Produkte als kontinuierliche Medien simulieren können, deren charakteristische Eigenschaften wie Dichte oder Elastizität durchgehend sind. Auf der anderen Seite steht die Simulation von Materialien auf atomarer Ebene, die auch möglich ist, aber nur für vereinfachte Probleme. Leider ist die molekulare Modellierung industrierelevanter Applikationen besonders schwierig und oft sogar unlösbar, weil der Rechenaufwand massiv mit der Anzahl der Atome steigt. Das ist der Grund, warum wir Simulationen und unsere Methodik mit experimentellen Methoden wie der Transmissions-Elektronen-Mikroskopie kombinieren, um die Anzahl der möglichen Lösungen zu begrenzen. Für die Simulationen ist aber eine skalierbare, sichere und robuste HPC-Infrastruktur zwingend erforderlich, um die Resultate auch in akzeptabler Zeit zu erhalten. Eine Simulation benötigt eine HPC-Infrastruktur mit sehr viel CPU- oder GPU- Leistung, Konnektivität mit niedriger Latenz und eine hohe Bandbreite zwischen den Servern und effizienten Speichersystemen. Eine solche Infrastruktur braucht Investitionen, wenn sie On-Premises stattfinden soll. Viele Unternehmen scheuen diesen Aufwand aber und nutzen daher lieber eine HPC-Umgebung aus der Cloud. Wir als Microsoft bieten in Azure eine solche Infrastruktur, und Unternehmen können sie für ihre Projekte minutengenau mieten.
Beschreiben Sie bitte einmal, wie konkret HPC in der Materialforschung helfen kann, Abläufe und Entwicklungszyklen zu beschleunigen.
Lukasz Miroslaw: Lassen Sie mich das an einem Beispiel erzählen: Mit unserem strategischen Partner, dem Schweizer Molecular Modelling Laboratory (MML), haben wir eine Technologie entwickelt, über die sich Reaktionsbedingungen organischer und anorganischer Werkstoffe durch molekulare Dynamik und Monte-Carlo-Simulationen auf Basis der Dichtefunktionaltheorie und experimenteller Methoden optimieren lassen. So ist es besser möglich, diese komplexen Reaktionen zu modellieren. Damit gewinnen Unternehmen Zeit im Herstellungsprozess, besonders in der Formulierungsphase beispielsweise von Klebstoffen oder Beschichtungen, aber auch bei Medikamenten. Über «Ab-initio-Simulationen» sind zudem Untersuchungen verschiedener physikalischer und chemischer Adsorptionseffekte mit viel höherer Auflösung möglich. Das sorgt für ein besseres Verständnis für die Reaktivität dieser Produkte mit unterschiedlichen Oberflächen.
Wir können auch dabei helfen, die mechanischen, chemischen und strukturellen Eigenschaften von Klebstoffen, Polyurethan-Additiven und Beschichtungen im Nanometer-Maßstab «in silico», also im Rechner, zu untersuchen und den Reaktionsgrad mit anderen Materialien, aber auch unter anderen physikalischen Bedingungen wie Temperatur oder einem bestimmten Feuchtigkeitsgrad abzuschätzen.
Vor Kurzem haben wir einen Durchbruch dabei erzielt, Materialien mit Hunderttausenden von Atomen durch eine Parametrisierung der räumlichen Anordnung von Atomen oder Atomgruppen zu modellieren. Damit konnten wir die Komplexität der Modelle deutlich reduzieren. Auf dieser Basis sind nun verschiedene branchenrelevante Anwendungen möglich. Unternehmen können die Technologie einfach und schnell als Service in ihren internen F&E-Teams einsetzen. Und mit cloudbasiertem HPC können wir unseren Kunden helfen, ihre Simulation effizient zu skalieren und zu beschleunigen und so Resultate in deutlich kürzerer Zeit zu erzielen.
Wie sehr kann HPC die Time-to-Market reduzieren?
Lukasz Miroslaw: Zunächst einmal: Diese Methodik funktioniert für fast jeden chemischen Stoff, den man als molekulare Struktur definieren kann. Mit ihr konnten wir zum Beispiel für ein Pharmaunternehmen die Stresstests einer Amorphous Solid Dispersion (ASD) auf ganze zwei Tage verringern. Früher dauerten diese Tests zwei bis sechs Monate!
Wir haben zusätzlich und ausschließlich digital evaluiert, welche Kombination von Polymer-Hilfsstoffen und Active Pharmaceutical Ingredients (API) die beste Stabilität im Sinne von Phasentrennung und Löslichkeitsgrenze bringt. So konnten wir am Ende nicht nur die Produktzyklen verkürzen, sondern auch zusätzliche Deskriptoren berechnen. Im Labor wäre das so überhaupt nicht machbar gewesen. Wir haben auch kalziumkarbonate Beschichtungen simuliert, um ihre Absorption und Reaktivität besser verstehen zu können. Damit war es möglich, die Anwendungsleistung der Beschichtungen im Voraus abzuschätzen, die Laborkosten zu senken und einen tieferen Einblick in das Produkt und seine Möglichkeiten zu erhalten – und zwar vor der eigentlichen Fertigung. Schließlich ist es möglich, über die Methodik die gesundheitlichen Risiken für Mitarbeitende in F&E deutlich zu verringern, weil wir ihre Exposition mit gefährlichen Substanzen deutlich senken.
Wie lässt sich HPC in der Prozessindustrie noch sinnvoll nutzen?
Lukasz Miroslaw: Unternehmen aus der Prozessindustrie mit einem hohen Bedarf an hoch performanten Berechnungen verstehen schon jetzt sehr gut, wie sie von HPC-Technologien profitieren können: In einer IDC-Umfrage haben 81 Prozent der befragten Industrieunternehmen HPC als einen Game-Changer für ihre Produkt- und Prozessinnovationen bezeichnet. Unternehmen mit ersten Erfahrungen in der Nutzung von HPC stimmen sogar zu 96 Prozent zu. Und es ist schon jetzt auch möglich, einfach auf eine cloudbasierte HPC-Infrastruktur zuzugreifen und dort sehr komplexe Simulationen, Modellierungen und Datenanalysen durchzuführen. Über den großen Geschwindigkeitsvorteil von HPC gegenüber traditioneller Datenverarbeitung können zudem sehr viel mehr Simulationen abgearbeitet werden, was die Qualität der Ergebnisse deutlich steigert.
HPC aus der Cloud öffnet Unternehmen aus der Prozessindustrie Einsatzszenarien, die bisher nur wissenschaftlichen Einrichtungen mit Supercomputern vorbehalten waren. Die Leistung steht On-Premises-Infrastrukturen in nichts nach, die Sicherheit ist deutlich besser. Durch die Preismodelle bei voller Transparenz können die Unternehmen zudem im Voraus planen, welche Projekte sie in die Cloud schieben und welche nicht. In der Cloud gehen sie auch den Lieferproblemen bei Hardware und Chips aus dem Weg. Und, im Moment nicht ganz unwichtig: Die Energiekosten sind schon im Preis inbegriffen – so können die Unternehmen hohe Energiepreise besser managen.
Hat die Prozessindustrie diese Möglichkeiten nicht nur erkannt, sondern sogar schon umgesetzt?
Lukasz Miroslaw: Die Implementierung von HPC ist besonders in der DACH-Region schon ziemlich fortgeschritten. Der IDC-Studie zufolge evaluieren bereits 21 Prozent konkret die Optionen einer HPC-Infrastruktur, 39 Prozent planen die Anschaffung oder haben einen Piloten gestartet. Weitere fast 30 Prozent haben sogar schon begrenzte oder umfassende Implementierungen durchgeführt. Das sind Zahlen, die mich sehr optimistisch stimmen: Die Branche hat den Nutzen erkannt und arbeitet daran, HPC einzusetzen.
* Dr. Lukasz Miroslaw ist Expert für High Perfomance Computing (HPC) und KI bei Microsoft Schweiz

Ein Beitrag von Melanie Weber

Senior Industry Advisor – Chemical, Pharma & Life Science Industry

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