Zum Hauptinhalt springen

IT-Change als Kulturfrage: „Ein CIO muss Unternehmensstrategie in IT übersetzen, und manchmal auch umgekehrt“

Disruption ist DAS Modewort der Wirtschaftskongresse. Die Botschaft ist klar: Wer es nicht schafft, sein Geschäftsmodell an den neuen digitalen Rahmen anzupassen, riskiert abgelöst zu werden oder in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten. Die Aufforderung zur digitalen Transformation ist aber nicht mit der bloßen Umstellung von IT-Systemen erledigt. Ein umfassender Kulturwandel in Unternehmen ist dafür notwendig – bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie in der Geschäftsführungsebene. Wir haben mit dem CIO des Jahres 2016, Hannes Gutmeier von conwert Immobilien Gruppe, und Damianos Soumelidis, Geschäftsführer von Nagarro Österreich, gesprochen und sie gefragt: Wie geht man diesen Change-Prozess am besten an?

Microsoft: Wie war der Wechsel in die Cloud für Sie, Herr Gutmeier?

Gutmeier: Aus CIO Sicht reibungslos, aber natürlich interessiert mich nach so einem Projekt vor allem die Rückmeldungen der MitarbeiterInnen. Immerhin haben wir bei conwert Immobilien Gruppe unser gesamtes ERP System (SAP) in der Cloud, ebenso wie unsere Dokumentenmanagement-Software gegeben. Außerdem nützen wir CRM Online über Dynamics 365 sowie O365 (Exchange). Einer meiner Mitarbeiter aus der IT meinte, genau vor dieser „Wie war’s?“ Frage hatte er sich präventiv schon gefürchtet. Im Endeffekt lief alles so glatt, dass er von der Migration nichts bemerkt hat. Detto einer der operativen Geschäftsführer: er hat nichts von der Umstellung mitbekommen. Und eine Kollegin aus dem Rechnungswesen hat überhaupt erst mit meiner Frage verstanden, warum die IT jetzt schneller funktioniert – wegen der Cloud.

Worauf führen Sie das positive Feedback zurück?

Gutmeier: Dem Feedback war zu entnehmen, dass wohl die Kommunikation im Vorfeld der Cloud sehr hilfreich war. Wir sind da eher auf die Funktionalitäten und nicht so sehr auf die Technik eingegangen. Überhaupt glaube ich, dass Kommunikation einer der zentralen Erfolgsfaktoren bei der Migration in die Cloud ist. Schon frühzeitig haben wir unseren Datenschutzbeauftragten eingebunden und dieses Thema zentral berücksichtigt. Auch mit dem Betriebsrat wurde rasch das Gespräch gesucht. Ich denke, wenn alle verstehen, welche zentralen Vorteile die Digitalisierung für das Unternehmen bringen kann, wenn man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuhört und ihnen Veränderungen erklärt, dann bekommt ein Projekt auch die erforderliche Rückenstärkung.

Seit wir in der Cloud sind, läuft alles stabiler, schneller, flexibler.

Wie haben Sie das Projekt gestartet?

Gutmeier: Von Anfang an wurden alle Gruppen eingebunden und ich kann nur jedem Kollegen empfehlen, mit der Frage des Datenschutzes zu beginnen. Diese Entscheidung hat sich bei uns bewährt. In der Umsetzung haben wir uns an vertraute Partner und bewährte Konzepte gehalten, die Evaluierung sehr transparent gestaltet und stark auf die Marktführer mit ihren Produkten gesetzt. Das kam der Glaubwürdigkeit in die vorgelegten Lösungen entgegen.

Und es hat sich gelohnt?

Gutmeier: Die Cloud hat sich jedenfalls gelohnt. Seit wir in der Cloud sind, läuft alles stabiler, schneller, flexibler. Das betrifft auch die Kosten: Wir können hoch- und runterskalieren, auf immer neue Features und Versionen zugreifen. Es gibt zum Beispiel bei Exchange keine Postfachlimits mehr, keine Speicherbegrenzungen. Für Unternehmen, die rasch skalieren, ist das ein zentraler Vorteil. Und die Verfügbarkeit aller Services ist viel höher als vorher. Wenn wir einen Ausfall haben, dann nur, weil das Internet weg ist.

Wie haben Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen vom Wechsel in die Cloud überzeugt?

Gutmeier: In erster Linie, indem ich auf die jeweiligen Motivatoren eingegangen bin. Den Mitarbeitern und Bereichsleiterinnen geht es um Verfügbarkeit, Flexibilität und Kosten. Von Seiten des Vorstandes braucht es schon auch ein Grundvertrauen in die IT, damit ein CIO arbeiten kann. Als CIO sehe ich es als meine zentrale Aufgabe, zu erklären wo wir hinwollen und was es bringt. Dazu gehört auch zuzuhören und Verständnis für Kritik oder Skepsis zu haben.

Liegt das am fehlenden Themen-Verständnis?

Soumelidis: Glaube ich nicht. Wir alle, sowohl persönlich als auch im Unternehmen, wissen, dass wir flexibler und innovativer werden müssen. In Österreich sträubt man sich mehr als in anderen Ländern gegen die Veränderungen, teils aus Angst, teils aus Unwissenheit, oder weil der Zeitdruck nicht so kritisch wahrgenommen wird. Das gilt nicht für alle CIOs, aber es sind bei weitem zu viele. Und eines ist auch klar: Eine solche Umstellung gelingt nur, wenn der Vorstand die Entscheidung mitträgt, so wie im Falle von conwert.

Gutmeier: Es ist ein Wechselspiel. Ich muss als CIO den Kontext mit der Unternehmensstrategie verstehen und einbeziehen. Ich treffe meine IT-Entscheidungen nicht entkoppelt, sondern im Einklang mit dem Business und strategisch vorausplanend. Ich denke auch, dass viele in Versuchung kommen, die Transformation zu technisch zu erklären. Sinnvoller ist es, sie mit gesamtheitlicher Sicht aufs Unternehmen darzustellen.

Soumelidis: Es hat sich auch wirklich viel getan und verändert in der IT. Die IT, das sind nicht die blassen EDV-Typen im Keller, die Server konfigurieren. Es geht um Strategien, Themen Leadership, Koordination und Projektmanagement. IT ist heute ein komplexes System aus Diensten, Abteilungen und Partnern geworden. Auch unser Leben als Berater war früher deutlich anders. Kaum jemand fragt noch nach on-premise Lösungen, unsere Kunden wollen Sparring-Partner auf Augenhöhe.

Zentral ist da sicherlich die Effizienzsteigerung, oder?

Gutmeier: Die Immobilienbranche ändert sich mit der Digitalisierung radikal! Es macht gar keinen Sinn mehr, sich mit on-premise Lösungen zu beschäftigen, weil sich völlig neue Konzepte auftun. Wenn man Mega-Trends wie Augmented Reality und Artificial Intelligence vor Augen hat, interessiert aus dem Business doch niemanden mehr, wie genau die Back-Office-Infrastruktur aussieht. Und wenn doch: Wer soll sich dann um die neuen Konzepte kümmern? Dann fehlen in diesen Bereichen die Ressourcen.

Soumelidis: Gerade in der Immobilienbranche wird es in Zukunft auch vermehrt um smarte Datennutzung gehen. Daten sammeln ist die eine Sache, aber dann muss man sich überlegen, was man damit machen kann.

Gutmeier: Ganz richtig. Die Sensoren, die in Smart Homes oder Buildings eingebaut sind, können unfassbare Datenmengen erzeugen. Jetzt müssen wir definieren, wie wir diese Daten für das Unternehmen am besten nutzen. Zum Beispiel zur Energieschonung: Hier können smart und einfach Kosten reduziert werden.

Soumelidis: Wer heute auf der Innovationsbremse steht, generiert seinen eigenen zeitlichen Nachteil. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man diese Datenaufgaben mit hauseigenen Lösungen speichern oder analysieren will.

Aber dann hat man doch handfeste und unternehmerische Argumente als CIO an der Hand?

Gutmeier: Sicher, aber ich glaube, dass nicht alle IT-Leiter oder CIOs mit ihren Argumenten beim Vorstand richtig durchdringen. Eine technische Erklärung hilft dem Management nie. Man muss die Sprache des Unternehmensmanagements sprechen, um Veränderungen auf die Agenda zu bekommen.

Soumelidis: Ich denke, genau das macht Dich als CIO auch so erfolgreich. Ein CIO muss nicht unbedingt ein Techniker sein. Aber er muss verstehen, welche Auswirkungen die IT auf das Unternehmen hat und welche unternehmerischen Notwendigkeiten sich aus der Digitalisierung ergeben.

Gutmeier: Die CIOs dürfen auch nicht vergessen, ihre Abteilungsleistung gut zu kommunizieren und intern zu vermarkten. Was bringt es, sich auf Technik und Technologie zu konzentrieren, wenn der Vorstand nicht ins Boot geholt werden kann? Wichtig ist, als CIO mit der Unternehmensstrategie gleichzuklingen: Der Vorstand gibt die Unternehmensstrategie vor, der CIO klärt die technischen Machbarkeiten und Notwendigkeiten und liefert Ergebnisse mit denen der Vorstand wiederum arbeiten kann.

Viel Abstimmung braucht aber auch viel Zeit.

Gutmeier: Die Abstimmung kann viel Zeit brauchen, muss sie aber nicht. Jahrelang nur zu überlegen, bringt jedenfalls nichts, irgendwann muss man anfangen. Prioritäten sind ratsam, sonst verheddert man sich in der IT rasch in Kleinigkeiten. Wir haben mit drei großen Themen begonnen: ERP, Exchange und Office Umfeld und das Dokumentensystem gingen als erstes raus in die Cloud.

Aber bringt rasches Handeln nicht auch genau die Gegenwehr, von der wir gesprochen haben?

Gutmeier: Es hilft, wenn jedem die Vorteile klar sind. Das war beim ERP (SAP) System besonders wichtig. Deshalb haben wir schon frühzeitig mit den Bereichsleitungen kommuniziert, dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord geholt. Es gab Schulungen für Dynamics und Office 365, für Power User nochmal gesondert, und wir haben Information proaktiv verschickt. Die MitarbeiterInnen der IT Abteilung bekamen mit der Migration auf Azure auch spezielle Trainings, weil zum Beispiel eine Serverumstellung ganz anders funktioniert. Dieser Transformationsprozess war gleichzeitig ein kultureller Wandel – es ist wichtig, das zu verstehen.

Soumelidis: In diesem Projekt waren alle Bereiche von der digitalen Transformation betroffen. Das spielt immer auch in die Unternehmenskultur hinein. Die „neue Welt der Arbeit“ ist in vielen Unternehmen ja ein eigenständiges Thema, fast schon eine Frage der Firmenphilosophie.

Gutmeier: Und nicht nur das, es spielen noch andere Fragen mit. Bei uns stellen zum Beispiel die Buchhalter oder Betriebskostenabrechner einen Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Natürlich kann ich sagen: Arbeitet von zu Hause. Arbeitet von unterwegs. Aber die Frage ist: Gibt es überhaupt Bedarf? Wollen die das überhaupt? Ergäben sich daraus tatsächlich Vorteile, oder geht es nur um den Trend? Viele Fragestellungen des digitalen Wandels sind auch juristisch einfach nicht gelöst – konkret in diesem Fall das Arbeitsschutzrecht.

Soumelidis: Technisch ist die neue Welt des Arbeitens möglich und problemlos umsetzbar. Die Flexibilität, die sich viele Menschen wünschen, kann aus rechtlichen Gründen oft nicht realisiert werden. Bevor wir über einen digitalen Kulturwandel in den Unternehmen konkret nachdenken können, braucht es jedenfalls noch einen Kulturwandel im politischen Bereich.

Vielen Dank für das Gespräch.