Developer Stories: Guido van Rossum, Python-Vater, netter Diktator und Problemlöser

Er ist der Erfinder von Python, der wohl wichtigsten Programmiersprache für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, sowie einer der stärksten Fürsprecher für Open-Source-Software. Und als er eigentlich schon in Rente war, begann er im November 2020 plötzlich bei Microsoft: Guido van Rossum.

Wer entwickelt schon aus Langeweile eine Programmiersprache? Das klingt nach einem Nerd und Computerfreak. Genau so bezeichnet sich Guido van Rossum auch selbst und hat damit die Welt verändert. Und zwar mal eben über die Feiertage mit einer legendären Aktion: Weihnachten 1990 erlebte der gebürtige Niederländer allein. Das Büro war geschlossen, Freund*innen und Kolleg*innen waren verreist. Und was tat er? Guido nutzte die Zeit, um eine ganze neue Programmiersprache zu entwickeln, die heute auf einem weltweiten Siegeszug ist: Python. Der Name kommt von der britischen Komikertruppe Monty Python, die ihn seit den Siebzigerjahren zum Lachen brachte. An Python kommt heute fast niemand vorbei, der im Umfeld von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz arbeitet.

 

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„Es macht mir einfach Spaß, Probleme zu lösen“, sagt Guido. Deshalb habe er Mathematik studiert, allerdings war das gar nicht so spannend wie erhofft. „Im Mathestudium stellen die Professorinnen und Professoren meistens Aufgaben, von denen sie die Lösung kennen“, erklärt der 66-jährige. „Nur wenige entwickeln wirklich etwas Neues“, deswegen interessierte ihn der Großrechner an der Universität von Amsterdam viel mehr. Und so entwickelte er Anfang der Achtzigerjahre dort kleine Programme und Routinen in der Programmiersprache Fortran. Ein Artikel im Scientific American über John Conways Game of Life inspirierte ihn, die Regeln dieses Spiels für Stift und Papier in einem Computer-Programm nachzubauen. Und als er schließlich einen Studierendenjob am Großrechner der Universität bekam, vernachlässigte er sein Mathe-Studium vollends. Ohne seinen damaligen Chef und einen engagierten Professor hätte er den Abschluss nicht geschafft, gibt Guido zu.

Offener Austausch: Software muss geteilt werden

Das Wichtigste, das er in dieser Zeit lernte, ist der offene Austausch mit anderen übers Programmieren, über Software und Computersysteme. „Software muss geteilt werden – diese Idee ist heute stärker denn je“, sagt Guido fast wie ein Glaubensbekenntnis. Zu seiner Studienzeit gab es dafür noch keinen festen Begriff, doch heute ist Open Source in aller Munde.

Sehr verständlich also, dass Guido seine Programmiersprache Python offenlegte und sie als Open-Source-System der Entwickler*innen-Community zur Verfügung stellte. Nicht nur die Erfahrungen aus dem Studium bewegten ihn dazu, sondern auch das Scheitern einer anderen Programmiersprache, die er Anfang der 80er Jahre mitentwickelte: ABC. Die Developer waren eigentlich angetreten, um BASIC damit zu ersetzen, doch dieses Projekt misslang. Einen wichtigen Grund sieht Guido heute in dem mangelnden Kontakt zu den Anwender*innen der Sprache.

Wohlwollender Diktator: Ehrentitel auf Lebenszeit

Das sollte mit Python nicht passieren. Tat es auch nicht. Im Gegenteil. Längst ist eine riesige Entwickler*innen-Community entstanden, welche die Programmiersprache weiterentwickelt und auch das Feedback der Anwender*innen berücksichtigt. Dabei verschoben sich über mehr als drei Jahrzehnte auch die Schwerpunkte. Während am Anfang vor allem Struktur, Syntax und Funktionen im Vordergrund standen, geht es jetzt vor allem um die Geschwindigkeit und Integration von Python.

Diese aktuelle Aufgabe war für Guido auch die Motivation, bei Microsoft anzuheuern. Eigentlich wollte er weniger arbeiten. Deshalb erklärte er 2018, dass er seine Position als „Benevolent Dictator for Life“ (BFDL) des Python-Projekts aufgeben werde. Diesen ironischen Ehrentitel, der auf Deutsch „lebenslanger wohlwollender Diktator“ bedeutet, hatte ihm die Community verliehen, weil das letzte Wort bei allen wichtigen Python-Entscheidungen immer bei ihm lag.

Das alles aufzugeben fiel nicht leicht, gibt er zu: „Python ist eben doch auch ein Kind von mir, das ich nicht so einfach loslassen konnte.“ Doch ähnlich wie beim Erwachsenwerden laufen auch erfolgreiche Softwareprojekte bald ohne ihre Eltern weiter. Diesen zunehmenden Erfolg hat Guido jahrzehntelang begleitet: mal als Entwickler bei Google und später auch bei Dropbox, die übrigens beide auf einer Python-Basis starteten. Aber im Oktober 2019 machte er Schluss und verließ das Python-Entwicklungs-Team.

Raus aus der Langeweile, rein in die Entwicklung von Microsoft

Dass es Guido doch nicht lang im Ruhestand aushielt, lag zum großen Teil an der Corona-Pandemie, erklärt er: „Auf einmal durfte oder konnte ich kaum noch mein Haus verlassen.“ Langeweile machte sich breit, und da kam Microsoft mit einem Jobangebot. „Mir war erst gar nicht klar, was sie von mir wollten. Aber wieder eine Aufgabe zu bekommen, an der ich arbeiten und Probleme lösen kann, fand ich sehr verlockend.“ Und so fing er bei Microsoft an.

 

Für Guido war das kein Bruch mit seinem Bekenntnis zu freier Software. „Microsoft hat sich in den vergangenen Jahren massiv gewandelt und leistet eine großartige Unterstützung für die Open-Source-Entwicklung“, sagt er und ist begeistert, dass er seinen Beitrag dazu leisten kann: Nun bezahle ihm das Unternehmen ein ganzes Team dafür, das quelloffene Python weiter zu verbessern. Sie arbeiten beispielsweise an der Geschwindigkeit des Python-Interpreters. Seit kurzem steht Version 3.11 bereit und ist 10 bis 60 Prozent schneller als der Vorgänger. Und zudem berät Guido verschiedene Microsoft-interne Entwicklungsgruppen, wie sie Python in Microsoft-Produkte integrieren können. Außerdem soll es noch weitere Projekte geben, „über die ich gerade nicht reden kann“, sagt er mit einem Lächeln.

Schlüssel zum Erfolg: Spaß an der Arbeit und viel Feedback

Das Interesse an solchen Aufgabenstellungen der Software-Entwicklung hat Guido kein bisschen verloren. Und ebenso nicht die Freude am Problemlösen, was für ihn auch der Schlüssel für Erfolg im Berufsleben ist. Sein Rat: „Habt Spaß an dem, was ihr macht! Wenn es nur ums Geld geht, wird man wohl besser Anwältin oder Anwalt. Doch wer den Spaß an seiner Arbeit maximieren kann, hat die größeren Chancen, erfolgreich zu werden.“ Eine spezielle Empfehlung hat er auch noch für alle, die selbst Software entwickeln wollen: „Lest viel Programmcode von anderen, holt euch viele Meinungen ein, schreibt euren Code und fordert Feedback und Kritik ein.“ Im Berufsleben geht es eben doch nicht nur um Spaß.

Ob Guido noch manchmal Langeweile hat, wie an Weihnachten vor über 30 Jahren, als Python daraus entstand? „Nein, das passiert nicht“, entgegnet er lachend. „Ich habe doch jetzt eine Familie.“


Ein Beitrag von Markus Göbel
Senior Communications Manager Data Applications and Infrastructure

Markus Göbel
und Bosse Kubach
Communications Manager Innovation

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