Was hat künstliche Intelligenz mit Digitalkultur zu tun? Sechs Fragen an Alain Genevaux und Andre Kiehne

Autonom fahrende Autos, die Heilung bisher unheilbarer Krankheiten und die radikale Veränderung unseres Lebens – neben ihrem Ruf als verheißungsvolle Zukunftsvision ist künstliche Intelligenz (KI) schon heute ein fester Bestandteil unseres ganz normalen (Arbeits-)Alltags. Doch in der Debatte um die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine wird oft eine entscheidende Komponente vernachlässigt: die Kultur, die in Unternehmen den Umgang mit neuen Technologien prägt. Was das konkret bedeutet und vor allem wie Organisationen das Potenzial von KI heute und in Zukunft heben können, haben wir zwei gefragt, die sich damit bestens auskennen: Alain Genevaux, Leiter der Modern Workplace Business Group, und Andre Kiehne, Segment Lead Specialist Sales bei Microsoft Deutschland.

Bevor wir über künstliche Intelligenz, ihr Potenzial und ihre Grenzen sprechen, sollten wir erst einmal klären, was sich hinter dem Begriff eigentlich verbirgt. Andre, wie würdest du KI definieren?

Andre: Bei Microsoft verstehen wir unter KI Technologien, die menschliche Fähigkeiten im Sehen, Hören, Analysieren, Entscheiden und Handeln ergänzen und stärken. Das ist nicht zwingend neu, aber drei Faktoren beschleunigen die Entwicklung von KI extrem: riesige Datenmengen, die Cloud und leistungsstarke Algorithmen, die anspruchsvolle Aufgaben bewältigen können.

Wie weit sind diese Technologien inzwischen in unseren Arbeitsalltag integriert?

Alain: Künstliche Intelligenz hat bereits in vielen Branchen und Berufen Einzug gehalten – beispielsweise in Form von Chatbots im Kundenservice bei den VHV Versicherungen oder zur Risikoberechnung im Fall von Naturkatastrophen bei Munich RE. Auch im Modern Workplace, den wir als sicheren, modernen und vernetzten Arbeitsplatz der Zukunft verstehen, hat KI bereits heute einen festen Platz: Angefangen mit Verbesserungsvorschlägen in Word und den smarten Sortierfunktionen in Outlook, die E-Mails nach Wichtigkeit und Nutzungsverhalten sortieren. Mit dem PowerPoint Designer kann jeder ansprechende Folien erstellen und mit PowerPoint Translator eine Präsentation live übersetzen lassen. KI analysiert auch bereits jetzt große Datenmengen in Excel schneller als wir es je könnten – mein Kollege Jörg Petter hat erst kürzlich seine vier liebsten KI-Features in Office vorgestellt. Das zeigt: Die Technologie ist bereits in unsere Arbeitswelt eingezogen.

Natürlich stehen wir dabei erst am Anfang, doch es ist offensichtlich, wohin die Reise geht.  Gerade diese Woche haben wir beispielsweise SharePoint Spaces angekündigt – virtuelle Räume, in denen Nutzer Inhalte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und mit ihnen interagieren sowie Daten und Produktmodelle in Echtzeit visualisieren können. So wird Mixed Reality Teil des modernen Arbeitsplatzes und erlaubt ganz neue Szenarien für Zusammenarbeit, Kommunikation und Wissenstransfer.

DPK17 - Alain Genevaux, verantwortlich für das Office-Geschäft bei Microsoft Deutschland

Wie schaffen Unternehmen es, dass diese neuen Möglichkeiten auch wirklich genutzt und das Potenzial von KI im Arbeitsalltag ausgeschöpft wird?

Andre: In erster Linie geht es darum, den Mensch ins Zentrum der Entwicklung zu stellen – nicht die Technologie. Wir müssen Mitarbeiter bei Veränderungen mit einbeziehen, Kreativität, Zusammenarbeit und Innovation fördern.

Alain: Bei Microsoft versuchen wir, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Arbeit flexibel machen, sodass jeder so arbeiten kann, wie es für ihn am besten ist. Dazu gehören für uns zum einen die in der Betriebsvereinbarung verankerten Prinzipien Vertrauensarbeitszeit und -ort, aber vor allem auch eine  offene Unternehmenskultur mit zentralen Werten wie Vertrauen, Diversität und Teamarbeit. In so einer Umgebung können moderne Technologien fruchten. Und hier gibt es noch Nachholbedarf in den Unternehmen: Nur elf Prozent der Mitarbeiter erleben die digitale Transformation als gemeinschaftlichen Prozess von Mitarbeitern und Führungskräften. Dabei ist es elementar, die Beschäftigten auf dieser Reise mitzunehmen und Lösungen zu finden, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Eine europäische Microsoft-Studie unter 20.000 Arbeitnehmern hat außerdem gezeigt: Neue Technologien und Tools können Mitarbeiter sogar überfordern, wenn die kulturellen Rahmenbedingungen im Unternehmen nicht passen. Konkret bedeutet das: Neben einer Unternehmenskultur braucht es auch eine Digitalkultur, die den Umgang mit neuen Technologien in Organisationen prägt.

Worauf kommt es bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine (in Zukunft) an?

Andre: KI soll den Menschen unterstützen, nicht ersetzen. Unser Ziel ist es daher, dass Mensch und Maschine bestmöglich zusammenarbeiten. Dabei bringt jeder verschiedene Talente mit: Menschen sind kreativ, empathisch und emotional, während Maschinen unübertroffen in ihrer Fertigkeit sind, (riesige) Datenmengen zu analysieren und darin Muster zu erkennen. Wir sollten uns also auf unsere individuellen Stärken besinnen und Aufgaben abgeben, die KI besser lösen kann. Das gibt uns wiederum die Möglichkeit, uns auf das zu konzentrieren, in dem wir Menschen stark sind – beispielsweise Kreativität und Empathie. So entsteht ein unschlagbares Team aus Mensch und Maschine.

Und wenn ihr mal den Blick in die Glaskugel werft – wo führt diese Entwicklung in 5 oder 10 Jahren hin? Wann wird dieses unschlagbare Team wirklich Realität sein?

Alain: Ich glaube, dass beispielsweise Sprachbarrieren schon in sehr kurzer Zeit im Arbeitsleben keine Rolle mehr spielen werden. Simple Aufgaben wie das Schreiben von Protokollen werden noch in diesem Jahr durch Features wie Cloud Recording von einer KI übernommen. Kurz: Kommunikation wird einfacher und Routineaufgaben können wir endlich abgeben.

Andre: Und auch darüber hinaus bietet die Technologie schon immense Möglichkeiten – Project Emma zeigt, wie Parkinson-Patienten dank KI wieder schreiben können! Ich glaube, dass KI nicht nur Probleme im Arbeitsalltag lösen kann – die Technologie ist so mächtig, dass wir mit ihr auch globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel begegnen können. Doch bevor sie unser Leben und unsere Arbeit in einem solchen Maß verändert, müssen wir definitiv zuerst gesamtgesellschaftlich diskutieren, wie dies geschehen soll – und wie die Entwicklung von KI allen Menschen helfen kann.

Wie genau sollte denn diese Debatte aussehen?

Andre: Es braucht Empathie, klare Design-Prinzipien sowie ethische Grundsätze. Wir wollen KI und andere Zukunftstechnologien für jedermann zugänglich machen, sie demokratisieren – #digitalfueralle. Wir möchten alle Menschen auf dem Weg der digitalen Transformation mitnehmen. Damit das möglich ist, müssen wir auch alle Menschen in die Gestaltung und Entwicklung von Technologien einbeziehen.

Alain: Und das ist eine große Herausforderung, die sich nicht nur auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, sondern heruntergebrochen auch in jedem Unternehmen wiederfindet. Damit die digitale Transformation klappt, müssen Organisationen alle Mitarbeiter auf dem Weg mitnehmen, den Prozess gemeinsam gestalten. Aktuell stellen sich Unternehmen und Institutionen aber eher den technischen als den kulturellen Herausforderungen der Digitalisierung, wie eine Microsoft-Studie zeigte. Kulturwandel sollte also eine Nummer 1-Priorität für Unternehmen sein – denn KI hat großes Potenzial, das wir nur heben können, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen!


Ein Beitrag von Charlotte Reimann,
Communications Manager Digital Workstyleund Pina Meisel,
Communications Manager Mixed Reality, AI & Data Platform

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