Analog Iterative Machine: Neuer Microsoft-Computer löst Probleme in Lichtgeschwindigkeit

AIM

Das Microsoft Research Lab in Cambridge, Großbritannien, hat einen neuen Computer gebaut, der Optimierungsprobleme in Lichtgeschwindigkeit lösen kann: die „Analog Iterative Machine“ (AIM). Anders als der typische binäre Computer, verwendet er unterschiedliche Intensitäten von Licht, um an derselben Stelle zu rechnen, an der die Informationen gespeichert sind. In Zukunft könnten solche Computer die Geschwindigkeit herkömmlicher Rechner um das Hundertfache übertreffen. Das Team testet den Computer nun an Optimierungsaufgaben aus dem Bankwesen. Wenn die Experimente erfolgreich sind, könnte AIM den Weg für die Verwendung optischer Computertechnik bei weiteren spezifischen mathematischen Problemen ebnen.

Es gibt ein altes Sprichwort: „Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.“ Dieses „Gesetz des Instruments“ ist eine häufige Falle in der Forschung: Wer nicht bereit ist, seine bisherigen Methoden in Frage zu stellen, verpasst Gelegenheiten zum Lernen und für neue Wege. Eine Gruppe von Forschenden im Microsoft-Forschungslabor in Cambridge hinterfragte deshalb ihre Methoden und Perspektiven bei der Entwicklung des optischen Computers. Eine ganz neue Art von Computer sollte sehr komplexe Probleme schnell lösen. Sie begannen damit, den ersten optischen 8-Variablen-Computer seiner Art zu entwerfen: den AIM.

AIM: Hundertfach schneller als herkömmliche Computer

Ursprünglich hatten die Forschenden gehofft, AIM als Werkzeug zur Beschleunigung des maschinellen Lernens einsetzen zu können. Bald erkannten sie jedoch das eigentliche Potenzial des neuen Geräts: die Geschwindigkeit und Kapazität von herkömmlichen Binärcomputern, die nur mit Nullen und Einsen rechnen, bei der Lösung von Optimierungsproblemen weit zu übertreffen. Die neue Entwicklung reagiert damit auf zwei aktuelle Trends: das abnehmende Wachstum der Rechenkapazität pro Dollar bei digitalen Chips, also die absehbare Aufhebung des jahrzehntelang geltenden Mooreschen Gesetzes, sowie die Überwindung der Grenzen von bisherigen Spezialcomputern, die für die Lösung von Optimierungsproblemen entwickelt wurden.

Die Analog Iterative Machine nutzt Komponenten wie Mikro-LEDs und Sensoren, wie man sie in Smartphone-Kameras findet. | Foto: Chris Welsch.
Die Analog Iterative Machine nutzt Komponenten wie Mikro-LEDs und Sensoren, wie man sie in Smartphone-Kameras findet. | Foto: Chris Welsch.

AIM ist ein neuartiger analoger optischer Computer, der Photonen und Elektronen verwendet, um Daten mit kontinuierlichen Werten zu verarbeiten. Seine Architektur ist komplett anders als bei den heutigen digitalen Computern, die Transistoren verwenden, um binäre Daten zu verarbeiten. Das Team des Research Lab geht davon aus, dass fortgeschrittene Versionen von AIM die Geschwindigkeit von Binärrechnern um das Hundertfache übertreffen werden, wenn es um die Lösung dieser Art von Problemen geht. Es ist kein Allzweckcomputer, sagt das Forschungsteam, aber er ist sehr hilfreich, wenn es darum geht, bestimmte mathematische Anwendungsfälle zu beschleunigen – beispielsweise lineare und nonlineare Algebra – in denen es aktuell noch Engpässe gibt.

Optimierungsprobleme: Neue Wege für effiziente Berechnungen

Optimierungsprobleme fallen in vielen der wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche an, zum Beispiel in Banken und dem Finanzwesen, dem Gesundheitssektor, der Logistik und Produktion. Die vielversprechenden Möglichkeiten des neuen AIM-Computers haben deshalb zu einem einjährigen Forschungsabkommen mit der Barclays Bank geführt. Die Teams untersuchen gemeinsam, ob AIM zur Lösung eines realen Problems eingesetzt werden kann: nämlich zur von Transaktionen bei Clearingstellen, welche die meisten Banken nutzen. Ihre Zahl geht täglich in die Hunderttausende. Und wie bei den meisten Optimierungsproblemen ist es der Umfang, der die Kapazität von Binärcomputern oft überfordert.

Das AIM-Team hatte bereits eine, wie sie es nennen, „Spielvariante“ des von Barclays gestellten Transaktions-Optimierungsproblems entwickelt, und der optische Computer löste die Herausforderungen jedes Mal mit hundertprozentiger Genauigkeit. Ein früherer Forschungsversuch, bei dem man dasselbe Problem mit einer anderen Technologie anging, traf nur in etwa fünfzig Prozent der Fälle ins Schwarze. Das Microsoft-Team arbeitet nun mit Barclays zusammen, um eine größere Version der Problemstellung mit mehr Daten und Variablen zu entwerfen. Sie hoffen, dass sie diese mit einer aktualisierten Version des optischen AIM-Computers noch in diesem Sommer testen können. „Wir sind davon ausgegangen, dass wir, sobald wir ihn gebaut haben, auch herausfinden werden, wie wir ihn weiterentwickeln können“, erklärt Ant Rowstron, Distinguished Engineer bei Microsoft und Leiter des AIM-Teams. „Und jetzt haben wir einen wichtigen Problembereich, in dem dringender Bedarf besteht und in dem unser Computer wirklich glänzt.“

Weitere Informationen zu AIM gibt es in diesen englischsprachigen Blogbeiträgen:


Ein Beitrag von Bosse Kubach
Commercial Communications Manager Innovation

und Rebecca Nothvogel
Trainee Commercial Communications Innovation

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