Digitalisierung und Künstliche Intelligenz läuten im Gesundheitswesen eine neue Zeitrechnung ein – ganz gleich ob in Krankenhäusern, Spezialkliniken oder Arztpraxen. Vielerorts gibt es längst digitale Patientenakten, bei Operationen unterstützen teilweise schon Roboter-Assistenten, und künftig wird die KI weiter Einzug in das Gesundheitswesen halten, um nach und nach das medizinische Personal zu entlasten. Dabei sind Generative KI und LLMs für viele Expert*innen die Hoffnungsträger schlechthin, um das Gesundheitswesen zu revolutionieren, die Patientenversorgung zu verbessern und die klinische Forschung voranzutreiben. Viele Nationen weltweit haben das Thema KI in der Medizin im Fokus und wollen zu Vorreitern bei der Einführung digitaler Innovationen werden.
Microsoft ist schon jetzt ein großer Player der KI-Revolution und setzt Maßstäbe, wenn es um Verantwortung und Vorsicht zum Beispiel in Sachen Ethik und Datensicherheit geht. Unter anderem darüber sprachen Expert*innen am 8. April bei einem Microsoft-Event in Berlin mit Journalist*innen aus ganz Europa unter dem Motto „AI – the big relief?“. Vertreten waren dabei renommierte Fachleute aus Gesundheitsindustrie, medizinischer Praxis und von Microsoft.
Vor allem in ländlichen Gebieten kann KI ihre Wirkung entfalten
Organisationen im Gesundheitswesen stehen weltweit vor vielen schwierigen Herausforderungen. Alternde Bevölkerungen, veränderte Lebensstile und das zunehmende Auftreten chronischer Krankheiten erhöhen die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und verschärfen die ohnehin schon langen Wartezeiten. Gleichzeitig führen Burnout und die Sorge um knappe Budgets sowie schwierige Arbeitsbedingungen bei medizinischem Personal in vielen Ländern zu einem verstärkten Fachkräftemangel. Die Weltgesundheitsorganisation erwartet bis 2030 weltweit 40 Millionen neue Arbeitsplätze im Gesundheitssektor, doch diese Zahl geht einher mit gleichzeitig prognostiziertem Mangel an 9,9 Millionen Ärzt*innen, Pflegepersonal und Hebammen.
In ländlichen Gebieten und Ländern, in denen Gemeinden und Fachkräfte im Gesundheitswesen geografisch verstreut sind, kann es für Patient*innen schwierig sein, zuverlässig Zugang zu medizinischer Versorgung zu bekommen, insbesondere wenn sie Spezialisten benötigen. Hier kann KI im Gesundheitssektor eine gewichtige Rolle spielen.
Acht medizinische Themengebiete, in denen KI helfen kann:
- Frühzeitige Erkennung von Krankheiten
- Unterstützung in der Diagnostik
- Klinische Entscheidungshilfe
- Patientenbeteiligung
- Medizinische Dokumentation
- Forschung
- Logistik und Ressourcenplanung
- Identifizierung sozialer Gesundheitsfaktoren
KI-gesteuerte Dokumentation kann Klinik-Alltag revolutionieren
Zu Beginn des Meetings in Berlin begrüßte Dr. Markus Vogel, Chief Medical Information Officer at Microsoft, die Teilnehmenden und gab einen Einblick in die Herausforderungen der europäischen Gesundheitssysteme und die damit verbundenen Chancen für den Einsatz von KI.
Dr. Vogel nutzte die Gelegenheit zudem, um eine neue Studie vorzustellen, die sich mit der Rolle von KI in der medizinischen Behandlung befasst hat. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: Auch Patient*innen sehen im Einsatz von KI im Gesundheitswesen große Chancen. Besonders groß wird das Potential an den Punkten wahrgenommen, an denen KI den Ärzt*innen administrative Arbeiten abnehmen kann und so Freiräume für eine patientenorientiertere und persönlichere Behandlung schafft. Zum jetzigen Zeitpunkt haben 45% der befragten deutschen Patient*innen den Eindruck, dass Ärzt*innen während des Behandlungsgesprächs zu sehr auf ihren Bildschirm fokussiert sind. Um dem Abhilfe zu schaffen, befürworten 40% den Einsatz von KI im Behandlungsgespäch. 55% glauben, dass KI in der Lage ist, mehr Zeit für Ärzt*innen freizusetzen und 47% denken, dass Diagnosen so zügiger gestellt und Behandlungspläne schneller festgelegt werden können.
Hadas Bitran, Leiterin der Microsoft-Health AI R&D Abteilung, und Manuel Bosch vom spanischen Gesundheitsdienstleister Ribera Salud legten in ihrem Impulsvortrag einen besonderen Fokus auf die konkreten Möglichkeiten, die KI und Datenanalyse schon jetzt für die Transformation des Gesundheitssystems bieten. Auch bislang ungenutzte Chancen standen im Mittelpunkt des Vortrags: So produzieren Krankenhäuser durchschnittlich 50 Petabyte an isolierten Daten pro Jahr, von denen 97% ungenutzt bleiben. Eine gezielte Nutzung dieser Daten, um medizinische Rückschlüsse zu ermöglichen und diese zu Trainingszwecken zu nutzen berge großes Potential. Um das möglich zu machen, arbeiten Ribera Salud und Microsoft gemeinsam an der Entwicklung innovativer KI-Anwendungen für den Gesundheitssektor. Dem zugrunde liegt Microsofts stetig wachsender Einsatz im Healthcare-Bereich, das sowohl Partnerschaften mit führenden Organisationen aus dem Gesundheitswesen als auch umfassende eigene Forschung und Entwicklung von KI-Technologien im Rahmen der Abteilung Health & Life Sciences umfasst. Hadas Bitran hob außerdem die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit KI hervor. Die Technologie habe das Potential, den gesamten Gesundheitsbereich zu revolutionieren, aber um positive Effekte zu erzielen, müsse es explizit auf den medizinischen Bereich ausgerichtete Regulierungen geben.
Auch bei der anschließenden Produktdemo stand der unmittelbare Nutzen von KI-Anwendungen im Mittelpunkt. Gemeinsam mit Steffen Grebner vom Klinikum Region Hannover und Dr. Jeffrey Cleveland, Chief Medical Information Officer bei Atrium Health, thematisierte Dr. Vogel die klinische Dokumentation, die sehr aufwendig ist und in vielen Krankenhäusern als „Zeitfresser“ gilt. Denn gerade an diesem Punkt können KI-Tools schon jetzt Abhilfe schaffen. Der KI-Assistent Dragon Medical One, der unter anderem vom Klinikum Region Hannover eingesetzt wird, unterstützt Ärzt*innen und andere Klinikmitarbeitende beispielsweise dabei, die Dokumentation durch Spracherkennung weniger arbeitsintensiv und deutlich schneller zu gestalten.
Seit Beginn der der Implementierung nimmt die Akzeptanz beim Personal ständig zu, so Grebner, und ermöglicht nicht nur Zeitersparnis, sondern auch genauere Dokumentation und intensiveren Patientenkontakt, dass mittlerweile der Großteil der Nutzer*innen nicht mehr darauf verzichten will. Er betonte auch, dass es wichtig sei, dass der IT ein größerer Stellenwert zugerechnet wird, wenn es um den Krankenhausbetrieb geht. Eine wirklich effiziente Infrastruktur könne nur dann aufgebaut werden, wenn die Mittel vorhanden seien, unterschiedliche Teilbereiche innerhalb der Krankenhäuser und über Krankenhausgrenzen hinaus miteinander zu verknüpfen und das Prozess- und Projektmanagement gut strukturiert ist. Dr. Cleveland wiederum berichtete von seinen Erfahrungen mit DAX Copilot, der die nächste Stufe der KI-basierten Dokumentation darstellt – eine Kombination aus Konversations-, Umgebungs- und Generativer KI. Er wird zum Beispiel von Atrium Health, einem großen Zusammenschluss von Krankenhäusern und Gesundheitsstützpunkten aus den USA, eingesetzt.
Beide Tools dienen dazu, Ärzt*innen die Möglichkeit zu geben, sich auf das Wesentliche ihres Berufs zu konzentrieren: Den Kontakt mit Patient*innen. Studien zeigen, dass der Mehraufwand, den medizinische Dokumentation für Ärzt*innen verursacht, wesentlich zu Unzufriedenheit und Burnout-Erkrankungen beiträgt. Gleichzeitig hat ein signifikanter Teil der Patient*innen das Gefühl, dass ihnen während ihrer Arzttermine nicht genug Aufmerksamkeit zuteilwird. Hier könne KI also die Grundlagen schaffen, zwischenmenschliche Beziehungen im Gesundheitswesen wieder priorisieren zu können, so Dr. Cleveland. Zudem erhalten Patient*innen durch die verbale Wiedergabe der von ihnen geschilderten Beschwerden das Gefühl, dass ihnen wirklich zugehört wird und sie in ihre Behandlung eingebunden werden. Sowohl Grebner und Dr. Cleveland appellierten daher, die Zeit, die in die Einarbeitung in die KI-Tools fließt als Investition zu sehen: Richtig eingesetzt bieten sie schon zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit pro 7-Stunden-Schicht bis zu eine Stunde an Zeit einzusparen, die dann in eine bessere Behandlung von Patienten fließen kann.
Um die bestehenden Herausforderungen und das Potential verschiedener KI-Anwendungen ging es auch an den thematischen Roundtables, die über den Tag verteilt stattfanden.
Roundtable 1 – The Practitioners’ Table
Im Mittelpunkt dieser Diskussion stand die Frage, wie die Belastung des Gesundheitspersonals durch Stress und Arbeitskräftemangel weltweit angegangen werden kann. Wie können KI und Digitalisierung dazu beitragen, diese Belastung zu lindern?
Dr. Markus Vogel, Chief Medical Information Officer und Senior Director DACH bei Microsoft Deutschland, sagte: „Es ist von entscheidender Bedeutung, KI nahtlos in den Arbeitsablauf des Klinikpersonals zu integrieren, um sie bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen.“
Dr. Jeffrey Cleveland ist Kinderarzt und Chief Medical Information Officer bei Atrium Health, einem US-amerikanischen Krankenhausnetzwerk. Das Potential von KI sieht er als zentral für die positive Entwicklung im medizinischen Bereich an: „Durch KI können zwischenmenschliche Beziehungen im Gesundheitswesen wieder in den Mittelpunkt gestellt werden.“
Helen Crowther ist National Lead Nurse of Digital Primary Care beim NHS England. Sie gehörte zum Entwicklungsteam für das Digital Nurse Network und war die klinische Leiterin für die Einführung des Bürgerzugangs zu Krankenakten. Für sie steht fest: „Das Vertrauen der Patienten basiert zunehmend auf der digitalen und Entwicklung und Reife der Pflege.“
Roundtable 2 – The Clinical Productivity Table
An diesem Roundtable ging es um Effizienz und Produktivität in Kliniken und darum, wie KI und Digitalisierung genutzt werden können, um den Krankenhausbetrieb für Personal und Patienten zu verbessern.
Barbara Nayeb ist IT-Projektleiterin für Krankenhaus-Digitalisierung am Klinikum Region Hannover. Sie betonte: „KI kann die Interaktion zwischen Arzt und Patient unterstützen und eine klarere Kommunikation, mehr Personalisierung und eine stärkere Kontinuität während des gesamten Behandlungsprozesses ermöglichen.“
Peggy Séjourné, Chief Operating Officer bei Milvue, einem französischen Start-up-Unternehmen, das sich auf die Bereitstellung von technischen Versorgungslösungen, insbesondere im Bereich der Radiologie, spezialisiert hat, sieht in der künstlichen Intelligenz großes Potential für eine bessere Priorisierung von Aufgaben: „KI versetzt Radiologen in die Lage, das zu tun, worin sie Experten sind – zu entscheiden, was das Beste für ihre Patienten ist.“
Manuel Bosch ist Chief Transformation Officer bei Ribera Salud, einem spanischen Gesundheitsdienstleister. Er sieht in KI transformative Stärke: „KI ist in der Lage, langwierige Arbeitsprozesse zu verkürzen und kann so die Komplexität unserer Gesundheitssysteme überschaubarer machen“.
Roundtable 3 – The Innovators’ Table
Im Mittelpunkt dieser Diskussion standen Innovationen im Bereich der KI, die verantwortungsvolle Nutzung von KI und ihre regulatorischen Voraussetzungen sowie die Frage, wie das Vertrauen in KI gestärkt werden kann.
Dr. Ishita Barua ist Ärztin, hat einen Doktortitel in künstlicher Intelligenz und ist Mitbegründerin und CMIO von Livv Health, einem norwegischen MedTech-Start-up. Sie ist außerdem Vorstandsmitglied des Norwegian Council of Digital Ethics. Sie sieht in der KI eine stark demokratisierende Wirkung: „KI kann Leben retten – vor allem das von Frauen und Minderheiten.“
Hadas Bitran, Partner GM Health AI bei Microsoft Health & Life Sciences. Für sie hat Generative KI nicht nur punktuell Potential, sondern „birgt ein großes Versprechen, das Gesundheitswesen zu revolutionieren“ Gleichzeitig hebt sie hervor: „Diese Technologie wird nur dann nützlich sein, wenn wir sie verantwortungsvoll entwickeln und einsetzen.“
Steffen Grebners Arbeit als Chief Information Officer am Klinikum Region Hannover umspannt alle Bereiche des Krankenhausalltags und seine Einschätzung des Potentials von KI ist ebenso weitläufig: „KI kann zum Katalysator für fast alle Prozesse im Krankenhausbetrieb werden.“
Verantwortungsvoll – ein gewichtiges Stichwort, das während des Health Meetings in Berlin immer wieder fiel. Der allgemeine Tenor der Veranstaltung in Berlin: KI kann in der Medizin zu massiver Entlastung zum Wohle des Patienten führen, wenn sie verantwortungsvoll und vorsichtig eingesetzt und bewusst vom Menschen gesteuert wird. „Wir sind auf einem guten Weg und konnten den anwesenden Journalist*innen der wichtigsten europäischen Medien den aktuellen Stand vermitteln, wie KI den Alltag im Gesundheitssystem positiv verändern kann“, sagt Dr. Markus Vogel von Microsoft.
Mehr Informationen zu den deutschen Ergebnissen der Studie finden Sie hier.
Ein Beitrag von Jo Klein
Integrated Communications Manager, Microsoft
und
Vanessa Richter
Director Industry Communications, Health & Life Science, Microsoft