Wie schnell und mühelos wir uns in Städten fortbewegen können, hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf unser individuelles Wohlbefinden und unsere Lebensqualität. Mobilität spielt auch eine entscheidende Rolle für den sozialen Zusammenhalt, eine gleichberechtigte Teilhabe und den wirtschaftlichen Erfolg, oder kurz: das Funktionieren von Städten. Viele Städte, darunter auch Berlin, kämpfen jedoch mit immer größeren Problemen bei der Beförderung von Personen und Gütern – nicht nur mit spür- und sichtbaren Auswirkungen wie Verkehrsstaus.
Intelligente Mobilitätslösungen gewinnen an Bedeutung
Viele Menschen haben im Zuge der Corona-Pandemie außerdem ihr individuelles Mobilitätsverhalten überdacht. Umweltfreundliche und flexible Mobilität rückt dabei vor allem in urbanen Gebieten immer stärker in den Vordergrund. Es wird noch einige Zeit verstreichen, bis das volle Ausmaß dieser Verschiebungen greifbar wird. Ein Trend, der sich lange vor der Krise abzeichnete, bleibt aber eindeutig bestehen: der Bedarf an intelligenteren Mobilitätslösungen.
Ralf-Peter Schäfer von TomTom weist darauf hin, dass laut des neuesten jährlichen Verkehrsindex seines Unternehmens im Jahr 2020 zwar weniger Verkehrsstörungen infolge der Pandemie gemessen wurden, das Verkehrsaufkommen aber wieder zunehmen dürfte: „Deshalb müssen Stadtplaner*innen, Politiker*innen, Arbeitgeber*innen – und Autofahrer*innen – jetzt Bilanz ziehen und Maßnahmen ergreifen, um Verkehrswege zu entlasten.“
Daten und digitale Technologien wie Cloud und künstliche Intelligenz (KI) bilden die Basis für neue Mobilitätslösungen und Mobilitätsdienste: Nachfrageprognosen berechnen benötigte Kapazitäten zur Hauptverkehrszeit; Verkehrsströme werden analysiert und eine intelligente Infrastruktur eingesetzt, um Stauaufkommen zu vermeiden; multimodale Verkehrsmittel werden integriert, um für Pendler*innen und Reisende ein einheitliches Mobilitätserlebnis zu schaffen.
Der Carsharing-Dienst WeShare der Volkswagen-Tochter UMI zeigt in Berlin, wie das konkret im Einsatz aussehen kann. Das Unternehmen nutzt KI, um die Nachfrage und Trends im Parkverhalten vorherzusagen. So optimiert WeShare seinen Service und minimiert die Betriebskosten.
Einführung eines neuen Index für intelligente Mobilität
Um die aktuellen Auswirkungen intelligenter Mobilität zu verstehen – und Städte zu ermitteln, die als Vorbild dienen könnten –, haben wir eine Datenanalyse durchgeführt und die relativen Werte für intelligente Mobilitätskonzepte in europäischen Großstädten sowie die damit verbundenen Vorteile untersucht.
Das Fazit? Die Daten zeigen ein positives Verhältnis zwischen der zunehmenden Entwicklung intelligenter Mobilitätslösungen und wichtigen Kennzahlen – wie verbesserte Mobilität und Luftqualität, weniger CO2-Ausstoß und höhere Lebenszufriedenheit. Intelligente Mobilitätslösungen verändern auch in deutschen Städten, wie etwa Berlin zunehmend die Art und Weise, wie sich Menschen fortbewegen.
Der Indexwert für die Entwicklung intelligenter Mobilitätslösungen liegt in Berlin bei 118, verglichen mit dem europäischen Durchschnittswert von 100. Damit platziert sich Berlin insgesamt 18 Prozent über dem europäischen Durchschnitt. Der Wert für die Zunahme intelligenter Mobilitätsangebote beträgt in Berlin 107. Die Stadt schneidet besonders gut ab bei Bike Sharing-Diensten (146), Biking-Diensten (145), Car Sharing-Diensten (142), Ladestationen für elektrische Autos (142) sowie bei der Reduzierung der CO2-Emissionen (143). Damit befindet sich Berlin insgesamt auf einem guten Weg.
Smart Mobility Index: Datenexploration über die intelligente Mobilität in europäischen Städten und deren Vorteile
Der Index umfasst 29 europäische Großstädte, für die breit gefächerte und tiefgreifende Datensätze öffentlich verfügbar sind. Dazu zählen neben Berlin auch die deutschen Städte Hamburg, München und Köln. Die meisten Organisationen der EU-Mitgliedsstaaten, von denen die Daten stammen, erfassen die Informationen in standardisierter Form und ermöglichen damit eine Vergleichbarkeit. Aus mehr als 20 Datenportalen und Datendiensten wie Eurostat, der europäischen Umweltagentur und der OECD wurden 35 Indikatoren für intelligente Mobilität ermittelt. Hier geht es zum Index.
Verbesserte Mobilität ist ein wichtiger Faktor für die Produktivität von Städten
Die Konzentration von Unternehmen und hochqualifizierten Arbeitskräften in Städten und Stadtregionen machen sie in der Regel wirtschaftlich produktiver.
So weist beispielsweise London im britischen Durchschnitt die höchste Produktivität auf. Mit einer Produktivitätsrate von 50 Prozent bewegt sich London über dem Wert der einstigen Industriezentren. In Städten bilden sich eher als auf dem Land sogenannte Innovationscluster, von denen urbane Regionen profitieren.
Doch der Zusammenhang zwischen Stadtgröße und Produktivität schwächt sich ab. Die verlangsamte Mobilität und fehlende Wohnungen sind die Hauptfaktoren dieser Entwicklung. Untersuchungen des Open Data Institute belegen, dass die mit der Größe einhergehenden Produktivitätsgewinne abflachen. Der Grund: der Druck auf die öffentliche Verkehrsinfrastruktur.
Wie sieht der Entwicklungsstand der intelligenten Mobilität laut unserer Datenanalyse in Berlin aus? Der Wert für die reduzierte Pendelzeit liegt in Berlin 24 Prozent über dem europäischen Durchschnitt (124). Auch beim Verkehrsfluss und Stauaufkommen in der Hauptverkehrszeit schneidet Berlin 22 Prozent stärker als der Durchschnitt ab (122). Der Wert für Verkehrsfluss und Stauaufkommen in Nebenverkehrszeiten fällt dagegen etwas ab und liegt 3 Prozent unter dem europäischen Mittelwert (97). Bei der Durchschnittsgeschwindigkeit von Bussen liegt Berlin gerade noch im Mittelfeld (94).
Intelligente Mobilität sorgt für Nachhaltigkeit und ökologischen Nutzen
Weltweit verfolgen Städte das Ziel, ihre Mobilitätssysteme sauberer, grüner und nachhaltiger zu gestalten. Viele Städte wollen bis 2030 ihre CO2-Emissionen drastisch verringern. Neue Maßnahmen zur Verringerung von Stickstoffemissionen und anderen Schadstoffen sollen die Luftqualität verbessern und behördliche Auflagen umsetzen. Gleichzeitig sollen Bewohner*innen dazu motiviert werden, sich aktiv per Fahrrad oder zu Fuß fortzubewegen, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern.
Kopenhagen plant zum Beispiel konkret die CO2-Neutralität. Die Stadt investiert in verschiedene Mikromobilitäts-Programme, die vorsehen, dass bis 2025 mehr als 50 Prozent aller Fahrten mit neuen Mikrotransportmitteln erfolgen.
Berlin hat es geschafft, die städtische Mobilität auf einen nachhaltigeren Kurs zu bringen. Die Stadt schneidet deshalb im europäischen Vergleich auch sehr gut in Bereichen wie Fahrradfahren (146), Fußgänger*innen (128), verringerten CO2-Emissionen (143) oder Niedrig-Emissions-Zonen (141) ab. Trotzdem bleibt auch hier noch einiges zu tun: Die Werte für Luftverschmutzung (96), erneuerbare Energien (89) und öffentlicher Verkehr (94) sind ausbaufähig.
Bessere Mobilität wirkt sich positiv auf die Lebensqualität aus
Die Lebenszufriedenheit wird von diversen Faktoren beeinflusst. Aber der neue Smart Mobility Index zeigt, dass sich intelligentere Mobilitätslösungen und Mobilitätsdienste positiv auf die Lebensqualität der Menschen auswirken. Bewohner*innen von Städten, die bei den Indikatoren für intelligente Mobilität gut abschneiden, dürften deshalb auch zufriedener sein.
Verantwortliche und Stadtplaner*innen verändern Städte aktuell unter dem Gesichtspunkt der Mobilität, um urbane Lebensqualität und Lebensgrundlagen zu verbessern. Daten sind in diesem Zusammenhang eine wichtige Grundlage.
„Städte wurden vor allem für Autos gebaut, anstatt für Menschen. Neue Innovationen verändern diese Situation,“ so Dr. Mathias Kempf, Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors, eine auf die Automobilindustrie spezialisierte Managementberatung. „Mobilität muss für Menschen gemacht werden. Sie wollen Verkehrsmittel auch nicht dauernd wechseln. Deshalb brauchen wir ein schnelles, bequemes und integriertes Verkehrssystem, das Menschen motiviert, das optimale Verkehrsmittel zu nutzen. Entscheidend ist dabei die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Mobilitätsdaten, mit denen Mobilitätssysteme bedarfsgerecht geplant und betrieben werden können.“
„Spannend wird in Zukunft die Kombination aus autonomem Fahren und Shared Mobility“, fügt Kempf hinzu. „Das Auto wird die Welt ein zweites Mal verändern. Städte werden völlig neue und ganzheitlich durchdachte Mobilitätssysteme entwickeln. Davon profitieren sowohl Städte als auch Bewohner. So entsteht eine bessere Welt für unsere Kinder.“
1 Rajé, F., and Saffrey, A. (2016) “The Value of Cycling: rapid evidence review of the economic benefits of cycling” For Department For Transport, undertaken by the University of Birmingham and Phil Jones Associates
Ein Beitrag von Stefan André Raschke
Direktor Vertrieb und Industrie Automotive bei Microsoft Deutschland