Als der Astronaut Michael Collins vor mehr als 50 Jahren alleine in der Raumkapsel von Apollo 11 den Mond umkreiste, während Neil Armstrong und Buzz Aldrin 1969 den Erdtrabanten als erste Menschen betraten, sah er aus 380.000 Kilometer Entfernung einen blauen Planeten ohne Grenzen. Damals wünschte er sich, dass alle Menschen und vor allem die Politiker*innen der Welt diesen Blick aus der Kapsel genießen könnten und lernen würden, zusammenzuarbeiten. Live mitteilen konnte Collins seine Gedanken damals nicht, was auch an der schlechten Verbindung zwischen Raumschiff und Kontrollzentrum lag.
Software-Ingenieur*innen von Microsoft und HPE arbeiten jenseits eigener Grenzen daran, die Kommunikation zwischen Erde und Weltall zu verbessern und Experimente zu ermöglichen. HPE hat dafür einen Server in der Größe einer handelsüblichen Mikrowelle aus seinen für die Weltraumbehörde NASA gebauten Supercomputern zur Internationalen Raumstation ISS geschickt. Microsoft liefert mit Azure Space das Betriebssystem für den „Spaceborne Computer-2“ genannten Edge-Rechner.
Mit dem Cloud-Rechner im All können zum Beispiel die Besatzungen der Internationalen Raumstation ISS datenintensive Experimente in etwa 400 Kilometern Höhe durchführen, ohne die Daten für die Auswertung zur Erde senden zu müssen. Das Prinzip des Edge Computings ist bekannt: Daten werden vor Ort verarbeitet, wenn Internetverbindungen nicht bestehen oder nicht performant genug sind. Im All ist genau das der Fall: Dem Spaceborne Computer-2 stehen pro Woche gerade einmal zwei Stunden Kommunikationsverbindungen zur Erde zur Verfügung. Bei einer maximalen Downloadgeschwindigkeit von 250 Kilobyte pro Sekunde reicht das nicht mal für die Übertragung eines Netflix-Films.
Experimente jenseits der Schwerkraft
Für die Experimente, die Spaceborne Computer-2 auf der ISS, aber auch im Rahmen geplanter Marsmissionen durchführen soll, reicht das bei weitem nicht aus. So hilft die Space-Cloud etwa bei der Sequenzierung der Genome von Astronaut*innen, die für die medizinische Versorgung bei längeren Weltraummissionen wichtig ist. Bei nur einer einzigen Sequenzierung fallen rund 200 Gigabyte Rohdaten an – damit würde es rund zwei Jahre dauern, sie bei der schmalen Bandbreite zur Erde zu übermitteln. Mit Spaceborne Computer-2 lassen sich diese Analysen vor Ort vornehmen. Ergebnisse werden nur dann zur Erde gesendet, wenn es Auffälligkeiten gibt, die genauer untersucht werden müssen.
Durch Open Source ist Anwendungsentwicklung keine Raketenwissenschaft mehr
Viele der Anwendungen im All sind mit Open-Source-Software und öffentlich zugänglichem Code programmiert worden. Jede/r Programmierer*in kann diesen Code entwickeln und anpassen. Diese neuartige Verwendung von Open Source sorgt dafür, dass die Entwicklung von Programmen, die in der Raumstation laufen, deutlich leichter geworden ist. Und da Spaceborne Computer-2 über eine Azure-Verbindung mit denselben Standardtools und -sprachen arbeitet, wie sie Computer auf der Erde nutzen, sind für die Entwicklung auch keine speziell ausgebildeten Raumfahrtingenieure oder Raketenwissenschaftler*innen mehr nötig. Um Anwendungen für die ISS zu entwickeln, reichen die Fähigkeiten von Schüler*innen der Informatik aus.
Neue Möglichkeiten im All – und auf der Erde
Der Edge-Computer im All eröffnet viele neue Möglichkeiten für Astronaut*innen und Forschungseinrichtungen, Experimente jenseits der Schwerkraft durchzuführen und direkt vor Ort auszuwerten. Und er ermöglicht den Fachkräften im All, direkt auf Ergebnisse zu reagieren, anstatt wie bisher auf die Analysen des Bodenpersonals oder gleich den nächsten Raumflug warten zu müssen. Und auch wir profitieren von den Forschungen: Viele der Erkenntnisse aus den Weltraum-Experimenten in Medizin oder Biologie lassen sich auch auf der Erde nutzbringend einsetzen.
Der ausführliche englischsprachige Blog zur Entwicklung vom Spaceborne Computer-2 mit weiteren spannenden Informationen von meiner Kollegin Susanna Ray ist hier zu finden.
Ein Beitrag von Najat Messaoud
Senior Director Cloud & Enterprise