Nachgefragt bei Reto Grob, Head of augment IT by Netcetera AG

Arbeit mit der HoloLens

Reto Grob ist Head of augmentIT, einem Schweizer Softwareunternehmen, das zum Microsoft-Partner Netcetera gehört. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von Augmented- und Mixed-Reality-Anwendungen für ganz unterschiedliche Geräte spezialisiert. Mit der Softwarelösung Inspect AR optimiert es die Produktion sowie die Wartungs- und Instandhaltungsprozesse seiner Kunden und unterstützt Mitarbeitende bei den Schulungen mit Hilfe eines Mixed-Reality-Umfelds. Für den Elektrogroßhändler Rexel Germany entwickelt es eine Mixed-Reality-Lösung, die es den Mitarbeitenden unter anderem ermöglicht, Sicherheitsprüfungen für den Brandschutz noch effizienter durchführen zu können.

Reto GrobReto, wie beurteilst du das Potenzial von Mixed-Reality-Technologien in Unternehmen?                   

Reto Grob: Mixed Reality bringt die Digitalisierung vor allem an Orte und zu Mitarbeitenden, die bisher kaum mit IT in Berührung kamen. Denn weltweit sind rund 80 Prozent der Arbeitskräfte noch ohne digitale Hilfsmittel tätig. Auch wenn sicherlich nur ein Teil davon mit Mixed Reality in Berührung kommt, ist das Potenzial riesig, um Prozesse zu verbessern und einen echten Mehrwert für Firmen zu schaffen.

Zudem bietet die Technologie auch für bereits IT-affine Industrien extreme Vorteile – zum Beispiel als ein zukünftiges Benutzungs-Interface. Überall dort, wo ein*e Anwender*in mit einem physischen Objekt interagiert, kann dies digital erweitert werden. Ein Beispiel: Mit Mixed Reality ist es viel einfacher geworden, einen Roboter zu steuern – bisher konnten dies nur Spezialist*innen programmieren. Anwender*innen zeigen einfach mit der Hand auf eine Stelle, wohin sich ein Roboter bewegen soll. Der Roboter kann so ganz einfach instruiert werden. Dies ist möglich, weil die Koordinatensysteme angeglichen sind.

Welche Branchen können deiner Erfahrung nach besonders von Mixed-Reality-Technologien profitieren, beispielsweise mit einer Kombination aus Inspect AR und Microsoft HoloLens 2?

Reto Grob: Die produzierende Industrie, Transport, Chemie und Life-Science-Unternehmen sind immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt – viele Prozesse sind nicht digitalisiert und oft nicht explizit dokumentiert. Viel Wissen steckt in einer immer älter werdenden Belegschaft. Einfache Listen, ob auf Papier oder auch als PDF, sind meist limitiert und sehr statisch. Dadurch fällt es den Firmen schwer, das Wissen zu pflegen oder an neue Mitarbeit*innen zu vermitteln – während die Komplexität der Prozesse und die Anforderungen an die Mitarbeiter*innen stetig steigt.

Mit Inspect AR und Microsoft HoloLens 2 kann dieses Wissen schnell und ohne größeren Aufwand aufgezeichnet und im nächsten Schritt verfügbar gemacht werden. Das befähigt sie, Arbeiten wie Expert*innen durchzuführen. Zudem werden die Arbeitsschritte protokolliert und auswertbar gemacht – was wiederum erlaubt, aus den Arbeitsberichten neue Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Rückkoppelung wurde oft nicht durchgeführt, weil der Aufwand bisher zu groß war.

Ein wesentlicher Punkt ist der Wechsel von statischen Anweisungen zu dynamischen Inhalten – die Anweisungen werden mit Bildern, Videos, Verlinkungen auf Dokumente oder IoT-Daten und der Verortung im Raum angereichert. Die Anweisungen sollen sich auch iterativ weiterentwickeln – jede Erkenntnis im laufenden Betrieb kann unmittelbar in einer neuen Version der Anweisungen abgebildet und live geschaltet werden. Damit wird das Wissen der ganzen Belegschaft verfügbar gemacht und laufend gepflegt.

Mixed Reality lässt sich mit unterschiedlichen Endgeräten erleben. Was ist der besondere Vorteil beim Einsatz von Microsoft HoloLens 2?

Reto Grob: Für den Einsatz im Firmenumfeld und der Verschmelzung der Realität mit digitalen Inhalten im Raum ist Microsoft HoloLens 2 eindeutig das Gerät der Wahl. Das Headset sitzt gut, ist sehr leicht zu bedienen und verblüfft mit seinen Fähigkeiten.

Was heraussticht: das stabile Tracking der Hologramme, die Hand- und Gestensteuerung sowie die neuen Möglichkeiten mit Iris Sign-On und Eye Tracking. Microsoft bietet aber auch die fortgeschrittenste Entwicklungsplattform an, unter anderem mit dem Mixed-Reality-Toolkit und den Azure-Mixed-Reality-Services wie Azure Spatial Anchors oder Azure Object Anchors.

HoloLens in der Fabrik

Was oft vergessen wird, aber immer wichtiger für den produktiven Einsatz ist: Microsoft HoloLens 2 bietet all die notwendigen Funktionen, um die Applikationen sicher im Firmenumfeld zu nutzen – sei es mit der gesicherten Einbindung in das Firmennetzwerk, dem Überwachen und Bereitstellen der Applikationen mittels Mobile Device Management oder dem Schützen und Verwalten der Zugriffe mit Active Directory.

Eine Microsoft-Umfrage hat ergeben, dass für einige Unternehmensentscheider*innen die Investitionskosten bei der Umsetzung von Mixed-Reality-Lösungen ein Grund sind, sie nicht einzusetzen. Andere sagen, dass ihnen die Anwendungsmöglichkeiten noch zu unklar sind. Wie überzeugst du diese Entscheider*innen?

Reto Grob: Die beste Möglichkeit sehe ich darin, die Mehrwerte beim Einsatz von Mixed Reality konkret zu identifizieren und quantitativ in einer Return-on-Investment-Rechnung (ROI) den Investitionskosten gegenüberzustellen.

Ein Beispiel ist der Anwendungsfall der Fernunterstützung mit dem Einsatz von Dynamics 365 Remote Assist. Die Kosten der Hardware und Software stellt man in den Vergleich zu den Kosten, die eine Flugreise an einen anderen Standort kostet – inklusive der Arbeitszeit und Spesen. In kurzer Zeit sieht man, dass es sich lohnt.

Für Szenarien, wo eine ROI-Rechnung noch nicht möglich ist, empfehle ich, mit einem erfahrenen Microsoft Mixed Reality Partner ein Proof of Concept oder Pilotprojekt durchzuführen, um die potenziellen Mehrwerte zu validieren und zu bewerten. Meist können die Geräte geliehen werden. Damit identifiziert man ohne große Investition relativ schnell die Anwendungsfälle, die am meisten Potenzial aufweisen. Auch kann der Umgang mit der neuen Technologie eine Inspirationsquelle sein für weitere Innovationen, etwa für neue Service-Modelle oder für die Rekrutierung von Mitarbeiter*innen. Das sind auch qualitative Vorteile, um beispielsweise als ein attraktiver Arbeitgeber aufzutreten. Wenn Schulungen mit Microsoft HoloLens 2 durchgeführt werden, erscheint das Unternehmen modern und attraktiv auf dem Arbeitsmarkt.

Aus euren Erfahrungen: Wie gut kommen eure Kunden und deren Mitarbeitenden beim Erstkontakt mit Microsoft HoloLens zurecht? Wie schnell gehen die Eingewöhnung und Einarbeitung?

Reto Grob: Meine Erfahrung bisher zeigt, dass Kunden sich erstaunlich schnell zurechtfinden und oft sehr motiviert sind, die neuen Möglichkeiten Hands-on kennenzulernen. In Vorort-Workshops werden die wesentlichen Aspekte kurz erklärt, und dann können sie oft schon selbstständig damit umgehen. Bei digital affinen Kunden haben wir die Einarbeitung sogar schon per Remote durchgeführt. Mittels Microsoft Teams werden die wesentlichen Dinge erläutert – wir begleiten die Kunden, fragen regelmäßig, wo sie stehen, und beantworten weitere Fragen kurz und rasch per Chat oder in Follow-Up-Calls.

Wichtig ist aber in jedem Fall, sicherzustellen, dass das Fitting, die Augenkalibrierung, Steuerung und weitere Einstellungen gut durchgeführt werden, damit die Nutzer*innen die korrekte und bestmögliche Experience erhalten.

Vielen Dank für das Gespräch, Reto!

Weitere Interviews aus unserer „Nachgefragt“-Reihe sowie weitere Anwendungsbeispiele und Informationen zum Einsatz von Mixed Reality-Technologie und Microsoft HoloLens 2 in der Arbeitswelt sind in unserer Pressemappe zu finden.

 


Ein Beitrag von Bosse Kubach
Trainee Business Communications Digital Qualification & Innovation / Data Applications & Infrastructure

Schwarz weiß Foto vom Autoren. Es zeigt einen jungen lächelnden Mann in einem weißen Hemd

Tags: , , ,

Weitere Infos zu diesem Thema

3. September 2021
Nachgefragt bei Wolfgang Stelzle, CEO von RE‘FLEKT

Wolfgang Stelzle ist CEO und Gründer von RE’FLEKT, einem Softwareunternehmen, das sich dem Thema Mixed Reality (MR) verschrieben hat. RE’FLEKT bietet unter anderem Schritt-für-Schritt-Anleitungen, digitale Trainingshandbücher und Datenvisualisierungen in Echtzeit an, die über MR vermittelt werden können. Wir haben mit ihm über die Möglichkeiten von Mixed Reality gesprochen.

4. August 2021
„Mixed Reality im Einsatz“ und „Nachgefragt“: Wir zeigen, wie unsere Partner mit Mixed Reality und Microsoft HoloLens 2 Innovation fördern

Microsoft HoloLens 2 ist eine faszinierende Möglichkeit, um die reale Welt mit Hilfe von Mixed Reality zu erweitern. Dabei kann die immersive Technologie in ganz verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette einen Mehrwert bieten – von der Produktentwicklung über Fertigung und Wartung bis zu Marketing und Vertrieb. In unseren zwei Beitragsreihen möchten wir die Einsatzszenarien und das Potenzial von Mixed Reality näher betrachten.