ABC der Bildung: Wie Lernen und Prüfen in der Schule der Zukunft aussehen kann

ABC der Bildung

Auf der digitalen Konferenz Microsoft EnvisionEd haben wir Anfang November darüber gesprochen, wie wir Bildung neu denken und zukunftssicher machen. Im dritten Beitrag unserer Blogserie „ABC der Bildung“ greift Cornelia Schneider-Pungs, Education Engagement Manager bei Microsoft Deutschland, zwei Aspekte aus den virtuellen Diskussionen auf – schüler*innenzentrierter Unterricht und Leistungsbewertung.

Wir haben lange und zu Recht darüber gesprochen, wie wir in Corona-Zeiten Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte entlasten können. Wir alle mussten schnell reagieren („Response“) und sind gerade erneut unter schwierigen Bedingungen dabei, Lösungen für einen geregelten Schulbetrieb zu finden („Recovery“). Gleichzeitig diskutieren wir intensiv darüber, wie wir die vielen Erfahrungen aus den vergangenen Monaten nutzen können, um die Zukunft zu gestalten. Das nennen wir „Reimagine“.

Zukunft des Lernens mit digitalen Technologien

Ein Ergebnis der vergangenen Monate ist, dass wir endgültig nicht mehr über die Notwendigkeit diskutieren, ob wir digitale Technologien im Unterricht und in den Schulen einsetzen. Sondern wir machen uns konkrete Gedanken darüber, wie wir moderne digitale Werkzeuge nutzen können, um den Unterricht für alle besser zu machen.

Dazu gehört ein Ansatz zu schüler*innenzentriertem Unterricht, der auf Ideen des US-amerikanischen Psychologen Carl R. Rogers (1902-1987) beruht. Bernhard Standl, Juniorprofessor für Informatik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, hat diesen in einem Whitepaper näher betrachtet.

Selbstbestimmt und eigenverantwortlich lernen

Der in der Pädagogik seit vielen Jahren diskutierte Ansatz beschreibt eine Lernwelt, in der Schüler*innen „in Freiheit lernen, ihre Lernumgebung nach ihren eigenen persönlichen Interessen mitgestalten und, wenn sie dabei von einer unterstützenden, verständnisvollen Lehrperson begleitet werden, selbstbestimmt und selbstverantwortlich Leistung erbringen“, wie es Bernhard Standl zusammenfasst.

Das Konzept beruht auf der Annahme, Menschen strebten von sich aus und aus eigenem Antrieb nach Selbstverwirklichung sowie nach einer Autonomie, die frei ist von äußerer Kontrolle und Zwängen. Mindestens genauso wichtig sei das richtige Classroom-Management, damit der Unterricht auf schüler*innenzentrierte Weise durchgeführt werden kann, schreibt der Karlsruher Pädagoge. Dafür brauche es „ausreichend gut sortierte Materialien“ sowie „die Demokratisierung des Unterrichts mit der Mitbestimmung der Schüler*innen“. Das Thema Demokratie und Schule hat auch die Diplompsychologin und Autorin Marina Weisband in ihrem Vortrag auf der EnvisionEd aufgegriffen.

Dieser Ansatz bietet ein enormes Potenzial für Lernende und Lehrende. Kinder und Jugendliche werden dabei unterstützt, eigenständig ihre Bedürfnisse zu erkennen. Sie folgen ihrem eigenen Antrieb zu lernen, zu recherchieren, neue Methoden zu entwickeln, Lernformate zu gestalten sowie selbstständig und im Team Probleme zu lösen. Das fördert nicht nur das Selbstbewusstsein, die Kreativität und die Resilienz der Lernenden, sondern auch Fähigkeiten, die Schüler*innen im späteren Berufsleben benötigen. Welche Skills zukünftig immer wichtiger werden, haben auch unsere Studie Abschlussklasse 2030 und der The Future of Jobs Report 2020 des World Economic Forum gezeigt.

Moderne Lernansätze brauchen auch eine zeitgemäße Prüfungskultur

Björn Nölte, Lehrer für Deutsch und Geschichte und Referent der Schulaufsicht bei der Evangelischen Schulstiftung, machte in seinem Vortrag auf der EnvisionEd klar, dass zu dieser neuen Lernkultur auch eine zeitgemäße Prüfungskultur gehört. Im Zuge dieser neuen Prüfungskultur sollten einzelne Schritte des Lernprozesses bis hin zum finalen Lernerfolg festgehalten und dokumentiert werden. Die existierende Form der reinen Leistungsbewertung hält der Experte aus mehreren Gründen nicht für erhaltenswert. Sie sei in seinen Augen fehleranfällig, wenig objektiv und führe bei den Schüler*innen oft zu Verunsicherung. Unter Umständen hätten sie Angst davor, dass zuvor Gelerntes nicht mit dem abgefragten Wissen übereinstimmen könnte.

Das Konzept des schüler*innenzentrierten Lernen bringt Björn Nölte mit einer „Kultur der Digitalität“ zusammen. Die Individualisierung des Lernens, aber auch Kollaboration und Reflexion können in eine moderne Bewertung mit digitalen Mitteln einfließen. Der Pädagoge plädiert zudem dafür, dass sich die Schüler*innen die Art der Abfrage selbst aussuchen. Zum Beispiel, indem sie aus ihren Präsentationen vortragen oder fiktive Zeitzeugeninterviews gestalten. Damit verabschiedet er eine Prüfungskultur, die an einen seriellen Erfolgsweg gekoppelt ist. Er befürwortet stattdessen, dass dieser Weg flexibel und an den Bedürfnissen der Schüler*innen orientiert angepasst und gestaltet werden kann.

Technologie unterstützt eine moderne Lehr- und Lernkultur

Für eine Veränderung der Prüfungskultur sind Technologien genauso unverzichtbar, wie bei dem für das schüler*innenzentrierte Lernen notwendigen Classroom-Management, das Bernhard Standl beschreibt. Es ist notwendig, um die vielen individuellen und kreativen Lern- und Prüfungsansätze überhaupt im Schulalltag abbilden zu können. Schüler*innenzentriertes Lernen und -Prüfen, da stimmen die Ansätze der beiden Experten überein, lässt sich nur mit Technologieeinsatz abbilden und überschaubar halten.

Moderne Technologien sind dabei nicht nur Hilfsmittel. Der Einsatz digital gestützter Lernmethoden schafft auch Chancen für völlig neue Lernformen und eine Feedbackkultur, die es im analogen Schulsystem so gar nicht geben konnte.

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Ein Beitrag von Cornelia Schneider-Pungs,
Education Engagement Manager bei Microsoft Deutschland

Cornelia Schneider-Pungs

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