In unserer Reihe The Life of a Microsoftie geben bei Microsoft angestellte Menschen einen persönlichen Einblick in ihren Alltag bei Microsoft, wie sie zum Unternehmen gekommen sind und was ihre Arbeit besonders macht.
Jan Schenk arbeitet seit 2008 in verschiedenen Positionen bei Microsoft. In seiner aktuellen Rolle als Developer Relations Program Manager bringt er ein weltweites Team von Cloud Advocates mit Developer Communities in ganz Deutschland zusammen. Außerdem ist Jan aktiv in Microsofts Employee Ressource Group disAbility, die sich um die Belange von Mitarbeiter*Innen mit Behinderungen kümmert – nicht nur, weil er selbst eine Schwerbehinderung hat, sondern auch, weil ihm Vielfalt und Inklusion eine Herzensangelegenheit sind.
Obwohl ich mir meiner Einschränkungen jeden Tag bewusst bin, kann ich es verstehen, dass Menschen mit Unglauben darauf reagieren, wenn ich ihnen sage, dass ich eine Behinderung habe und ich rein formell sogar zur Gruppe der Menschen mit einer Schwerbehinderung gehöre. Denn man sieht mir meine Behinderung, wie etwa 80% der deutschlandweit 7,7 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung, nicht an. Ich habe Typ 1 Diabetes – so wie ungefähr 22 Millionen Menschen weltweit. Das bedeutet in meinem Fall, dass mein Immunsystem vor 14 Jahren fälschlicherweise seine Kräfte gegen die Insulin-produzierenden Zellen meiner Bauchspeicheldrüse eingesetzt hat, vermutlich aus einer anderen einfachen Erkrankung wie einer Grippe heraus. Seitdem kann mein Körper Insulin nicht mehr selbstständig herstellen und wird auch nie wieder dazu in der Lage sein.
Der Körper benötigt aber Insulin, um den Energielieferanten Zucker aus dem Blut in die Zellen zu bewegen. Deshalb muss ich diesen Teil meines Stoffwechselsystems täglich selbst nachahmen und mir Insulin in der richtigen Dosierung verabreichen. Diese Dosierung ist abhängig von vielen Faktoren: Zusammensetzung und Menge aller Mahlzeiten und Snacks, Uhrzeit, Biorhythmus, Bewegung, gesundheitliche Verfassung, Stress, Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, Schlaf und früher am Tag verabreichtes noch im Körper wirksames Insulin. Deshalb ist es nicht immer ganz einfach, die exakte Dosis an Insulin zu bestimmen – Fehler können aber lebensbedrohlich für mich sein. Zum Glück gibt es etwas, das mein Leben einfacher macht: Technologie.
Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen bei Microsoft bin ich technikbegeistert, um nicht zu sagen technikverrückt. Das war auch vor meiner Diagnose schon so; ich finde neue Technologien unglaublich spannend und lerne gerne Neues. Deshalb ließ ich 2018 meinen Facharzt auch meine Therapieform umstellen: weg von den weitverbreiteten Insulinpens und Blutzuckermessstreifen, hin zu einer moderneren sensorgestützten Pumpentherapie, um meine Lebensqualität zu verbessern. Diese technischen Mittel, der Blutzuckersensor und die Insulinpumpe, helfen mir aber dabei, die Funktionen, die mein Körper aufgrund meiner Diabetes nicht selbst ausführen kann, besser nachzubilden – insbesondere die konstante Überwachung meines Blutzuckerspiegels und die genauere Dosierung des Insulins. Aber selbst mit dieser Therapieform sind Langzeitschäden wie Augenerkrankungen oder Nervenschädigungen wahrscheinlich.
Eine bessere Lebensqualität dank technischer Hilfsmittel
Obwohl diese Pumpentherapie schon als fortschrittliche Therapieform gilt und Langzeitschäden, die durch Typ 1 Diabetes drohen, reduziert werden, hat sie eine Schwachstelle: Die einzelnen Geräte arbeiten autark voneinander. Bis heute gibt es kein zugelassenes medizinisches Gerät, das wenigstens einen der vielen Blutzucker beeinflussenden Faktor berücksichtigt und davon abhängig die Insulingabe reguliert. Man kann sich das vorstellen, als hätte man zu Hause kein Thermostat, um die Raumtemperatur zu regeln, sondern müsste stattdessen mit einem Thermometer die Temperatur messen und dann den Heizungsregler zum Erhöhen oder Reduzieren der Temperatur mit der Hand bedienen. Dieser Umstand liegt vor allem daran, dass die Forschung zu Typ 1 Diabetes weitestgehend eingestellt wurde, Existierende Therapien werden als ausreichend bewertet werden, und die Behandlung des 20x weiter verbreiteten Typ 2 Diabetes gilt für die Pharmakonzerne als profitabler.
Als Techie wollte ich mich nicht mit einem fehlenden Thermostat in meinem Haus zufriedengeben. Deshalb habe ich meine Therapieumstellung mit einem bestimmten Ziel vor Augen in die Hand genommen: Ich bin auf eine Do-It-Yourself Community aufmerksam geworden, die ebenfalls nicht bereit ist, sich mit dem Status Quo der Diabetes-Therapie zufrieden zu geben: Die Looper. Ihr Motto lautet: #WeAreNotWaiting – und ich wollte den Kreislauf schließen und ebenfalls zum Looper werden.
Looper sind Menschen mit Typ 1 Diabetes, die mit Hilfe von selbst geschrieben Programmen und selbst gebauter Hardware dafür sorgen, dass das Thermostat automatisch funktioniert – und gleichzeitig auch noch registriert, dass ein Fenster offen ist oder es demnächst eine Veränderung in der Außentemperatur gibt. Insgesamt loopen weltweit schätzungsweise 10.000 Menschen – und helfen anderen dabei, sich ihr eigenes System zu bauen, das momentan jede kommerzielle Lösung bezüglich Sicherheit und Ergebnisse in den Schatten stellt. So habe auch ich mir mit der Hilfe dieser Community ein eigenes System gebaut, bei dem mit Hilfe von Smartphones oder Micro PCs die Pumpe und der Sensor miteinander interagieren können: So verwendet bei mir ein Intel Edison die Werte meines Sensors und meiner Pumpe, um alle 5 Minuten eine neuen Verlauf des Blutzuckers für die nächsten 2 Stunden zu prognostizieren und abhängig davon Korrekturen mit Hilfe von Insulingaben oder -unterbrechungen vorzunehmen. Durch die Technik spare ich mir die ständige Kontrolle meines Blutzuckerspiegels und kann mir sicher sein, dass mein Blutzucker nicht dafür verantwortlich ist, dass ich das Bewusstsein verliere – im Schlaf, beim Autofahren oder während des Sports könnte das fatale Folgen haben. Seitdem ich loope, haben sich die Schwankungen in meinem Blutzuckerspiegel fast auf das Niveau von Menschen ohne Diabetes eingependelt.
Das Backend, das die Daten des Sensors und alle Mahlzeiten und Insulingaben dokumentiert, läuft übrigens auf unserer Cloud Plattform Microsoft Azure. Dort kontrolliere ich meinen Verlauf und kann Schwankungen genau wie die Prognosen in Echtzeit visualisieren. Auf diesem Backend basiert auch ein von mir selbst gebautes System, das mir im Home Office immer den aktuellen Status durch Lichter anzeigt und mich bei Unterzuckerungen warnt.
Weil das Bauen des eigenen Systems eine Herausforderung ist, bei der aus Unklarheit bezüglich Haftung keine medizinischen Fachkräfte helfen dürfen, bin ich sehr dankbar, dass es die DIY Loop Community gibt, die ihr Wissen an andere Menschen mit Diabetes weitergibt. Denn: Für mich bedeutet der Einsatz von Technik ein geringeres Gesundheitsrisiko, weil mich das System kurz- wie langfristig vor schwierigen Situationen bewahrt. Die Community lebt davon, dass Menschen das, was sie selbst erhalten haben, weitergeben. Genau in diesem Sinne beteilige auch ich mich an den zugrunde liegenden Open Source Projekten cgm-remote-monitor und OpenAPS. Außerdem blogge ich deutschsprachig zu dem Thema und bin auch auf Twitter als Typ 1 Diabetes Aktivist unterwegs.
Microsoft: Eine Unternehmenskultur, in der jeder so sein kann, wie er ist
Meine Begeisterung für Technologie und Communities begleitet mich nicht nur in meinem Privatleben: Ich arbeite seit über 11 Jahren bei Microsoft – und das in verschiedenen Rollen. Angefangen habe ich 2008 als Developer Evangelist für Interoperabilität in der Cloud und nach verschiedenen Stationen innerhalb des Unternehmens bin ich seit einem Jahr Developer Relations Program Manager für Deutschland. Ich arbeite also jeden Tag daran, Beziehungen zu Entwicklern aufzubauen und sie über Microsoft Azure auf dem Laufenden zu halten. Außerdem sorge ich dafür, dass unsere Cloud Advocates in Deutschland auf Konferenzen sprechen und mit Developer Communities zusammenkommen.
Das Besondere an meinem Job: Mein Team ist über die ganze Welt verstreut und so divers, wie ich es bisher noch nicht erleben durfte. Wir sind ein „remote-first“ Team, was bedeutet, dass Meetings, wenn überhaupt notwendig, und Projekte von Anfang an so geplant werden, als gäbe es nur virtuell teilnehmende Personen, die über mehrere Zeitzonen hinweg optimal zusammenarbeiten können müssen. Ich arbeite auch überwiegend aus dem Home-Office. An durchschnittlich zwei Tagen pro Woche zieht es mich dann aber doch zu meinen deutschen Kollegen ins Microsoft Office in Schwabing. Diese Flexibilität ist für mich als Vater und als Person mit Diabetes vor allem deshalb praktisch, weil ich so nicht nur besser auf meine Gesundheit achten kann, sondern auch noch jeden Tag Zeit mit meinen zwei Kindern verbringen kann.
Neben spannenden Aufgaben in einem innovativen Umfeld und der Flexibilität, mit der ich meinen Arbeitsalltag gestalten kann, schätze ich bei Microsoft vor allem den Wandel der letzten Jahre in der Unternehmenskultur: Der Fokus, der auf Diversität und Inklusion gelegt wird, und in vielen Bereichen auch schon in der täglichen Realität gelebt wird – und ich habe bei Microsoft selbst erleben dürfen, welchen Einfluss es auf mich selbst hatte, zu sehen, dass hier jeder so sein darf wie sie sind, ohne sich zu verstecken: Bei meinem offenen Umgang mit meiner gesundheitlichen Situation diente mir mein Kollege Scott Hanselman als Vorbild, der ebenfalls sehr offen mit seiner Diabetes umgeht. Dieses Umfeld hat mir das Selbstbewusstsein gegeben, ganz selbstverständlich mit meiner Behinderung umzugehen. Weil ich dazu beitragen möchte, dass unsere Kultur in Zukunft noch diverser und inklusiver wird, ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich in unserer Employee Resource Group (ERG) disAbility engagiere. In dem Netzwerk treibe ich mit aktuell rund 35 aktiven anderen Kolleginnen und Kollegen relevante Themen und setze mich dafür ein, dass Microsoft noch inklusiver und barrierefreier wird – egal, ob es um unsere Produkte, interne oder externe Meetings, Gebäude, Veranstaltungen oder individuelle Anliegen von Partner*Innen, Kund*Innen oder Kolleg*Innen geht.
Dabei ist es uns wichtig, dass wir uns um die verschiedensten Bedürfnisse kümmern: Denn auch wenn viele Personen mit dem Begriff „Behinderung“ Rollstühle assoziieren – der Großteil aller Behinderungen ist – genau wie meine Behinderung – unsichtbar. Diabetes, Epilepsie, Lernbeeinträchtigungen, aber auch Hör- und Sehbehinderungen sieht man Menschen oft nicht an. Mit unserer disAbility ERG wollen wir dafür sorgen, dass diese Personen und ihre Bedürfnisse nicht vergessen werden – und gleichzeitig das Leben und Arbeiten von allen zu erleichtern. So sind zum Beispiel Untertitelungen von Meetings nicht nur essentiell für Menschen mit einer Hörbehinderung – diagnostiziert oder nicht –, sondern auch enorm hilfreich für alle, deren Muttersprache nicht die verwendete Sprache des Meetings oder des Videos ist. Auch von mehr Barrierefreiheit in unserem Schwabing Office profitieren letztendlich alle: Der Außenbereich unserer Kantine war lange Zeit mit kleinen Steinchen ausgelegt – inzwischen wurde der Bodenbelag durch Holz ersetzt, sodass sich jede Person dort sicherer bewegen kann, egal ob man im Rollstuhl sitzt, beim Gehen Krücken benötigt oder auch nur ganz banal hohe Schuhe trägt. Deshalb arbeiten wir in der ERG auch daran, dass unser ganzes Office noch barrierefreier wird. In den Treppenhäusern und in unserem Konferenzbereich haben wir seit Neustem zum Beispiel taktile Bodenmarkierungen, die den Weg zu den Räumen leiten und die Treppenabsätze markieren. Stockwerkskennzeichnungen in Braille-Schrift gibt es in den Aufzügen und im Treppenhaus. Auch unser Atrium wird in naher Zukunft noch barrierefreier werden und taktile Bodenmarkierungen erhalten. All das soll dazu dienen unsere gesamte Kultur inklusiver zu machen. Und dazu kann jeder beitragen. So werden regelmäßig Trainings angeboten, bei denen wir lernen, wie wir uns inklusiver verhalten können. Übrigens: In der disAbility ERG kann sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter von Microsoft engagieren – egal, ob mit oder ohne Behinderung.
Ein Beitrag von Jan Schenk
Developer Relations Program Manager