Am 5. November fand unter dem Motto „Entdecken. Lernen. Vernetzen.“ die Bildungskonferenz Microsoft Envision Education 2020 statt. Mit mehr als 30 CIOs, Bildungsexpert*innen sowie Vordenker*innen aus Schulen, Hochschulen und Unternehmen auf der virtuellen Bühne. Die Konferenz hat gezeigt, was Pädagog*innen, Lehrende, Schüler*innen und Studierende gemeinsam unter den schwierigen Bedingungen einer außergewöhnlichen Zeit erreicht haben – und wo die Baustellen für die Zukunft der Bildung liegen. Wir fassen die Highlights der Konferenz zusammen.
Weniger kann mehr sein
Barbara Holzapfel lebt seit vielen Jahren in den USA und ist seit 2017 als Vice President Education bei der Microsoft Corporation. Sie warf in ihrer Keynote zur Eröffnung der Konferenz einen spannenden Blick auf das Thema Bildung weltweit und stellte unterschiedliche Ansätze und Ergebnisse vor.
Sie eint, dass sie alle in einem ganzheitlichen Konzept Pädagogik und moderne Technologie verbinden. Die Konzepte unterscheiden sich vor allem, wenn es um regionale Bedingungen und Voraussetzungen geht. Ein Beispiel ist die Universität Bologna. Innerhalb von vier Tagen haben die Verantwortlichen es geschafft, 90 Prozent der mehr als 80.000 Studierenden auf Online-Lerneinheiten umzustellen. Ein anderes Beispiel kommt aus dem Senegal. Hier hat das Bildungsministerium mit Unterstützung der UNESCO und Microsoft mit OneNote und Teams mehr als 3,5 Millionen Schüler*innen und Studierende fit fürs Remote Learning gemacht. Im niederländischen Zutphen haben die Schulen Windows-Laptops mit Office 365 verteilt. Damit wurde in kurzer Zeit nicht nur das individuelle Lernen für alle Schüler*innen möglich. Bedeutsamer war noch, dass der Technologieeinsatz den Lehrkräften mehr Zeit für ihre Schüler*innen verschafft hat – für persönliches Coaching und die Unterstützung eigenständiger Lernprozesse.
Die Grundfrage der regional sehr unterschiedlichen Ansätze, so Barbara Holzapfel, sei überall gleich gewesen: Wie lassen sich Technologie und Pädagogik zusammenbringen, um das Lehren und Lernen aufrecht zu erhalten und um neue pädagogische Ansätze für die Zukunft zu finden?
Eine Lösung, die für alle gleichermaßen passt, gibt es wahrscheinlich nicht. Ein ganzheitlicher Ansatz, eine transparent kommunizierte Strategie und ein mit Bedacht ausgewähltes Set an Tools und Lösungen können jedoch als Grundlage in jedem Fall hilfreich sein. Die stark gestiegenen Ansprüche an Pädagog*innen und Eltern, neue, hybride Lernformen anzubieten und anzuwenden, bedeuten für sie eine enorme Belastung. Da sei es eine gute Unterstützung, so Barbara Holzapfel mit Verweis auf eine Umfrage unter 400 Lehrer*innen und IT-Professionals, die Auswahl an Tools so gering wie möglich zu halten: „Weniger kann da wirklich oft mehr sein.“
Komplexe Herausforderungen vertragen keine einfachen Lösungen
Auf der Konferenz sprach außerdem Kerstin Mayrberger darüber, wie sich moderne Führungsprinzipien auf das Bildungswesen übertragen lassen: „Agile Educational Leadership“. Sie arbeitet als Professorin für Mediendidaktik an der Universität Hamburg und hat im vergangenen Jahr dort ein Institut für Digitalbildung ins Leben gerufen.
„Wir stehen vor komplexen Herausforderungen, für die es keine einfachen Lösungen gibt“, sagte Kerstin Mayrberger in ihrer Keynote. Die Frage sei daher, wie wir digitale Medien zur Unterstützung von Lehre und Lernen nutzen können. Und zwar sowohl auf einer individuellen Mikroebene als auch in Bildungsorganisationen („Meso“) und auf der Ebene von Staat, Institutionen und Gesellschaft („Makro“). Für diese komplexen Fragestellungen brauche es deshalb Konzepte für heute und nicht welche, die in zehn Jahren greifen.
Allerdings sei den pädagogischen Fachkräften die Sicherheit darüber verloren gegangen, dass bewährte didaktische Konzepte und Erfahrungen auch unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie noch funktionieren. Für die jetzige Situation gebe es keine Best Practices und schon gar keine Blaupausen. Und trotzdem, so die Hamburger Professorin, müssten wir nicht alles neu denken, sondern das, was es schon gibt, für die Zukunft der Bildung nutzen. Das Konzept von Agile Leadership griff sie weniger als Führungs- und Managementmethode auf, sondern mehr als Wertekanon für die Gestaltung der Zukunft – „Being-Agile“ statt „Doing-Agile“.
Seitenblicke: Wie Unternehmen und Verbände das digitale Lernen weiterentwickeln
Kerstin Mayrbergers Aufruf nach einer ganzheitlichen Strategie fand sich auch in der Präsentation von Simone Fleischmann wieder. Sie ist nicht nur Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, sondern hat viele Jahre selbst als Lehrerin und Schulleiterin an Grund- und Mittelschulen gearbeitet. „Distanzunterricht“, so die Bildungspolitikerin, „braucht Digitalisierung. Präsenz-Unterricht braucht Digitalisierung.“ So weit, so klar. Im Kern aber, so die Präsidentin des Verbands, brauchen Schulen „Digitalität“ – eine ganzheitliche Bildung als Fundament. Dafür appelliert sie in ihren vier Thesen nicht nur für Investitionen, das wäre zu einfach. Sie fordert Expertise, Qualifizierung, externe Unterstützung und die Verbindung des akademischen, alten, traditionellen, hybriden und fachlichen Lernens mit einem fächerverbindenden, adaptiven und ganzheitlichen Lernen – ein „Lernen mit Herz, mit Kopf und mit Hand“.
Martin Peuker, CIO der Berliner Charité, berichtete in seiner Präsentation davon, wie er mit seinem Team die Digitalisierung in Europas größtem Universitätsklinikum vorangetrieben hat. Allein mehr als 8.000 Studierende werden an den über 100 Einzelkliniken und Instituten zu Mediziner*innen ausgebildet. Auch das gehe nach Martin Peuker nur mit einer ganzheitlichen Strategie. Die aber müsse mit einem tiefgreifenden Kulturwandel verbunden sein, der Organisation und Prozesse ebenso umfasst, wie Technologien und Ressourcen.
Zusammen mit seinem Team lässt der „Digital Enabler“ Peuker den Wandel in der Charité nicht nur zu, sondern treibt ihn ganz konkret voran. So können die Studierenden zum Beispiel mit der Microsoft HoloLens Operationen in 3D quasi live mitverfolgen – das ist in der Ausbildung von Ärzt*innen ein echter Quantensprung. Apropos: Wo andere noch dabei sind zu verstehen, wie Quantencomputing funktioniert, arbeitet die Charité bereits an konkreten Use Cases für diese revolutionär neue Technologie. All das, bestätigt Martin Peuker indirekt auch den Ansatz von Kerstin Mayrberger, funktioniert am besten in der Kombination von langer Vorbereitung mit agiler Vorgehensweise.
Mohanna Azarmandi, Chief Learning Officerin bei Microsoft Deutschland, lenkte in ihrer Präsentation den Blick darauf, wie bei Microsoft das Unternehmen und seine Mitarbeiter*innen mit der Aufgabe des lebenslangen Lernens umgehen. „Lernen hört nicht mit der mittleren Reife, dem Abitur oder dem Examen auf“, erläutert Mohanna Azarmandi. „Im Job lernen wir weiter, denn die fortschreitende Digitalisierung und ihre Geschwindigkeit fordern, dass wir uns permanent qualifizieren und weiterentwickeln.“ Daher habe Microsoft das Thema Lernen fest in der Unternehmenskultur integriert und verstehe sich als lernende Organisation, in der Lernzeit eben auch Arbeitszeit ist. Nicht nur für Schüler*innen und Studierende, die heute kurz vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen, lieferte der Ansatz Einblicke, die zum Nachdenken anregen.
Rund um die (Bildungs-)Welt in 20 Sessions
Alle Aufzeichnungen der Konferenzbeiträge stehen auch jetzt noch zur Verfügung. Dafür einfach nachträglich für die Konferenz anmelden und Zugang zu den Sessions erhalten. Zur einfachen Orientierung ist jede Session einem der fünf Themenschwerpunkte zugeordnet: Sozial-Emotionales Lernen & Diversität, Lehren & Lernen in der Kultur der Digitalität, Moderne Zusammenarbeit & Lebenslanges Lernen, Führung im Wandel sowie Moderne IT für zeitgemäße Bildung.
Für eine Vertiefung der Themen eignet sich unsere Blogserie ABC der Bildung mit den ersten Beiträgen Digitale Schule – mit hybriden Lernformen durch die Pandemie und Was Schulen und Hochschulen sich von Corporate Learning abschauen können. Außerdem haben wir einigen Referent*innen der EnvisionEd je drei Fragen zu ihren Kernthesen gestellt. Antworten gibt es von Alexander Lasch, Marina Weisband, Kerstin Mayrberger und Jan-Martin Klinge.
Ein Beitrag von Michael Wittel
Leitung Forschung & Bildung bei Microsoft Deutschland
und Jakob Huber
Education Marketing Lead bei Microsoft Deutschland